Hausdurchsuchungen und 12.000 € Schadensersatz – Rechtsanwaltliche Einschätzung des „Sixtinische-Madonna-Verfahrens“

Am 19. Juni 2024 fand der zweite und abschließende Prozesstag am Amtsgericht des Gemäldegalerie-Verfahrens gegen zwei Aktivist*innen der Letzten Generation in Dresden statt. Im Sommer 2022 hatten sich Jakob Beyer und Maike G. im Zuge eines Protests mit der Letzten Generation am Rahmen der „Sixtinischen Madonna“ im Dresdner Zwinger in der Gemäldegalerie „Alte Meister“ festgeklebt.
Rechtsanwalt Johannes Hehnen, der den Beschuldigten Jakob Beyer in diesem als auch im Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 vertritt, hat für den RAZ e.V. das Verfahren und vor allem auch die vorangegangenen Ermittlungen eingeordnet:

„Am 19.06.2024 gab es das Urteil am Amtsgericht Dresden für eine Aktion aus dem Jahr 2022. Im August 2022 hatten sich zwei Aktivisten der letzten Generation an den Rahmen des, nach eigenen Angaben, wertvollsten Bildes aus der Galerie „Alte Meister“ im Dresdner Zwinger, geklebt.

Die Aktion hatte damals viel Aufmerksamkeit gefunden. Von der Galerie wurden Schadensbeträge von bis zu EUR 12.000,- in die Welt gesetzt. Durch die Aktion konnte das Anliegen der Aktion (Protest gegen die schleppende Klimapolitik) öffentlichkeitswirksam unter die Leute gebracht werden.

Auch der Freistaat Sachsen fühlte sich herausgefordert. Nicht anders ist es zu beurteilen, dass wenige Monate danach eine ebenfalls in der Öffentlichkeit zelebrierte Hausdurchsuchung bei 3 Aktivist*innen erfolgte. 60 PolizistInnen waren im Einsatz, um drei Wohnungen zu durchsuchen. Gesucht wurden u.A. „Tatmittel (Transparente, Klebstoff etc.) und das, obwohl von der Tat im Internet live Videos mit den beiden Tätern zu sehen waren, die zur Zeit der Durchsuchung auch schon in der Ermittlungsakte vorhanden waren.

Dass es nicht nur um die Tataufklärung gegangen sein konnte, zeigt sich an zwei Pressemitteilungen der Staatskanzlei, die eine schon kurz nach Beginn der Durchsuchungen um diese noch während der Maßnahme öffentlich zu machen, und der Tatsache, dass es Bild TV ermöglicht wurde, die Durchsuchung live zu filmen. Einer der AktivistInnen hatte so die Möglichkeit, die Durchsuchung seiner eigenen Wohnung live in Bild TV zu sehen, während er in München wegen Polizeigewahrsam im Gefängnis saß. (Anmerkung: Jakob Beyer saß zum Zeitpunkt in Präventivgewahrsam, da er sich in München an Straßenblockaden beteiligen wollte).

Im Strafprozess, der nun am Amtsgericht Dresden folgte, machte der Richter schnell klar, dass er nicht daran dachte, sich mit den Motiven der Aktivist*innen, nämlich der sich abzeichnenden Klimakatastrophe, auseinanderzusetzen. Es ging ihm ausschließlich um die Frage, ob der Bilderrahmen Schaden genommen hat und wie hoch dieser Schaden gewesen sein könnte.

Ermittlung des Schadens

Hier hat sich dann herausgestellt, dass die Annahme der Staatsanwaltschaft über die Schadenshöhe falsch war und sich ein Schaden von nur EUR 50,- herauskristallisierte und die Arbeiten am Rahmen von internen Mitarbeitern erbracht wurden. Um ein solches Ergebnis noch zu verhindern, vertagte das Gericht um eine Woche und hat noch eine externe Restauratorin herbeigeschafft, um deren Arbeitszeit noch als Schaden dazuzählen zu können. „Leider“ hat sie nur 3 Stunden für rund EUR 120,- gearbeitet und hat die Vorstellungen von Gericht und Staatsanwaltschaft nicht erfüllt. Im Urteil hat das Gericht dann doch die internen Arbeitsstunden als Schaden gewertet.

Wir sind gespannt, ob der Freistaat Sachsen seine Schadensdarstellung im Zivilprozess, in dem er Schadensersatz gegen die Aktivist*innen geltend macht, korrigiert, denn die ist spätestens nach dem Ergebnis des Strafprozesses schlicht falsch.

In der mündlichen Urteilsbegründung (30 Tagessätze) hat das Gericht deutlich gemacht, dass die Klimakatastrophe und die Tatsache, dass sich die Angeklagten mit ihrer Aktion gegen die Gleichgültigkeit der Menschen und der Regierung gestemmt haben, für die Verurteilung keine Rolle gespielt hat – wieder mal also hat sich ein Gericht auf seine formale Position zurückgezogen, ohne Verantwortung in Sachen Klimakatastrophe zu übernehmen.

Ebenso wenig hat das Gericht die historische Bedeutung der Aktion berücksichtigt. In vielen anderen Städten weltweit werden historische Denkmäler, die in Protestaktionen einbezogen wurden, in Erinnerung an die historischen Ereignisse des Protests, in Museen ausgestellt. Der Freistaat Sachsen hat es allerdings vorgezogen, die Merkmale des Protest vollständig zu beseitigen, um somit die Erinnerung an den Protest auszulöschen.

Die Angeklagten sind in Berufung gegangen, weil sie der Ansicht sind, dass ihre Aktion nach § 34 StGB gerechtfertigt ist und nicht bestraft werden kann. (Anmerkung: § 34 Strafgesetzbuch: Rechtfertigender Notstand).

RAZ e.V. hat das Verfahren eng begleitet und wird die Angeklagten auch weiterhin unterstützen.
Spannend bleibt auch, ob der Freistaat Sachsen den Schadensvortrag im Schadensersatzprozess korrigiert und ob der Freistaat den geltend gemachten Schadensersatz von über EUR 10.000,- am Ende zu Recht eingefordert hat.