Impressionen aus dem Gerichtssaal

Seit Sommer 2022 wächst die Zahl von Verfahren, in denen Klimaaktivist:innen sich vor Gericht für ihre Proteste verantworten. Hintergrund sind meistens medienwirksame Proteste mit Vorwürfen der Nötigung (§ 240 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB), oder auch der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt:innen (§ 113 StGB).

Wir ermutigen Aktivist:innen regelmäßig in der Betreuung und Vorbereitung der Verfahren, ihre Beweggründe vor Gericht offen darzulegen. Hierfür werden dann meistens schriftliche Einlassungen und Schlusswörter vorbereitet. In diesen Schriftsätzen finden sich viele inspirierende und bewegende Geschichten. Hier ist eine Auswahl aus Gerichtsverfahren der letzten Monate zu finden.

Einlassungen und Letzte Worte von Aktivist:innen

„Schlüsselmoment: der Faktor Zeit“ – Einlassung eines selbstverteidigten Aktivisten.

Ich möchte erst einmal über die Tatumstände sprechen und sagen, was mich im Oktober des letzten Jahres auf die Straße gebracht hat.

Ich bin seit sehr langer Zeit politisch interessiert und aktiv. Als Kind war ich auf Demos gegen den Irak-Krieg, später für Bildung, gegen Atomkraft, gegen Nazis, gegen Überwachung, gegen Rassismus und Diskriminierung im Unteilbar-Bündnis und zuletzt immer wieder für Klimaschutz und damit Menschenschutz mit Fridays for Future. Ich gehe wählen. Ich habe mich als Jugendlicher bei den Jusos in der SPD engagiert und eine Ortsgruppe mitgegründet, bin später in die SPD eingetreten, ausgetreten und in die Linke eingetreten. Ich zeichne Petitionen mit. Kurzum: ich habe alle legalen demokratischen Partizipationsmöglichkeiten ausprobiert.

Ich habe auch meinen Lebensstil angepasst. Seit Ende 2021 lebe ich vegan. Ich fliege nicht mehr, fahre wenig Auto und dafür viel Rad und Bahn. Ich kaufe wenig Kleidung, solange mir nichts kaputt geht. Ich versuche, Plastik zu vermeiden. Aber beides, das politische Engagement und die Änderung des Lebensstils, sind sanfte, nur langsame Schritte in die richtige Richtung. Für viele Ungerechtigkeiten auf der Welt müsste ich mich damit zufrieden geben, solange die Welt Stück für Stück besser wird. Unsere Gesellschaft ändert sich eben nur langsam.

Ein Schlüsselmoment war für mich, als ich den prinzipiellen Unterschied der Klimakrise zu anderen Ungerechtigkeitskrisen verstanden habe: den Faktor Zeit. Denn es ist für Frauen, LGBT, religiöse und rassifizierten Menschen zwar unangenehm, Diskriminierung zu erfahren, aber das erfordert kein zeitnahes Handeln der Gesellschaft innerhalb einer Frist. Diese Diskriminierungen abzubauen und für Gerechtigkeit zu sorgen ist eine immerwährende und zeitlose Aufgabe, die auch nach einem langen Kampf Erfolg haben kann.

Nicht so bei der Klimakrise. Die derzeitige Einrichtung unserer Welt basierend auf fossilen Rohstoffen verändert das Weltklima unwiderruflich. Überschrittene Kipppunkte im Klimasystem verändern das Leben auf der Erde für Jahrtausende oder Jahrmillionen. Ausgestorbene Pflanzen- und Tierarten sind für immer fort. Das ist der Blick nach vorn, aber schon jetzt spüren wir die Auswirkungen in Form von Hitze, Dürre, Fluten, und damit auch Ernteausfällen. Olivenöl und Schokolade werden teuer, aber dabei bleibt es nicht. Je länger wir die Lösung der Klimakrise hinauszögern und sie zur Katastrophe eskalieren lassen, desto schlimmer trifft es uns und unsere Nachkommen. Die Zeit arbeitet gegen uns.

Das bringt mich zum Oktober 2023 und den Kontext dessen, was mir vorgeworfen wird. Am 12.10.2023 regnet es leicht, aber es ist nicht kalt. Am 26.10.2023 fühlt sich die Straße auch nicht unangenehm kalt an. In manchen anderen Jahren habe ich im Oktober schon den ersten Schnee erlebt. Nicht so letztes Jahr. Laut den Zahlen des Copernicus Climate Change Service lag die globale Temperatur weit über dem vorindustriellen Niveau von 1850-1900: am 12.10. um 1,75 Grad, am 26.10. um 1,67 Grad. Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Staaten dazu verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, dass die globale Temperatur möglichst auf 1,5 Grad begrenzt bleibt. Überhaupt lag jeder Tag im Oktober über den 1,5 Grad. Nicht nur der Oktober: von Februar 2023 bis Januar 2024 hat ein ganzes Jahr lang jeder Monat die 1,5 Grad gerissen.

Das ist ein Problem. Ein Problem, das politisch gelöst werden muss. Den Auftrag dazu hat die Bundesregierung. Seit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts 2021 wird Artikel 20a GG so ausgelegt, dass Klimaschutz Verfassungsrang hat. Das BVerfG erklärte damals das Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig, weil die Reduzierung der Emissionen und die damit einhergehende Freiheitseinschränkung nicht zukünftigen Generationen aufgebürdet werden darf, sondern gerecht verteilt werden muss. Es forderte einen konkreten Plan für die Jahre nach 2030 bis Ende 2022 – dem ist die Bundesregierung nicht nachgekommen. Im Gegenteil: unter der Ampelregierung verfehlt vor allem das Verkehrsressort die Sektorziele und Bundeskanzler Scholz sichert Verkehrsminister Wissing zu, diese nicht einhalten zu müssen.

Heute, im April 2024, wird sich das Gericht mit dem Vorwurf der Nötigung befassen. Ich habe schon Prozesse zu Straßenblockaden der Letzten Generation beobachtet und Berichte gelesen. Ich weiß, wir werden uns zur Abwägung verschiedener Rechtsgüter damit befassen müssen, ob und wieviel Stau entstanden ist. Währenddessen war der März 2023 wieder 1,68 Grad heißer als zur vorindustriellen Zeit. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat Ende März aufgrund verbesserter wissenschaftlicher Analysen errechnet, dass Deutschlands CO2-Budget schon jetzt aufgebraucht ist. Vorgestern, am 15. April: der Expertenrat für Klimafragen stellt in seinem Prüfbericht fest, dass der Verkehrsbereich schon wieder seine Klimaziele verfehlt hat. Am selben Tag beschließt die Ampel-Regierung, die Sektorziele abzuschaffen und damit den bisherigen Gesetzesbruch zu legalisieren.

Ich halte Widerstand gegen diese Missachtung meiner und Ihrer zukünftigen Freiheit, gegen die Zerstörung meiner und Ihrer Lebensgrundlagen für gerechtfertigt und geboten. Insofern das Gericht in diesem Prozess den Tatvorwurf der Nötigung verwirklicht sieht, bestreite ich angesichts der Umstände die Verwerflichkeit.

„Falls wir es überhaupt noch in der Hand haben“ – Einlassung einer Aktivistin für das Amtsgericht Konstanz.

Falls wir es überhaupt noch in der Hand haben.
Wir leben in einer Zeit, in der wir mit der existenziellen Gefahr des Zusammenbruchs
unserer Zivilisation und dem möglichen Aussterben der gesamten Menschheit konfrontiert
sind.
Dieses Schreckensszenario ist jedoch keine reine Zukunftsmusik.
Auch Extremwetterkatastrophen wie das Ahrtal und die Überschwemmungen dieses Jahr hier in Süddeutschland zeigen klar: Der Klimawandel ist schon längst hier. Auch bei uns am Bodensee. Und schon schon heute sterben deshalb Menschen.
Schon heute sind Bilder von vertrockneten Äckern und leeren Flüssläufen auch hier in Deutschland keine Seltenheit mehr. Dass in immer mehr Regionen im Sommer das Trinkwasser rationiert werden muss – ein Trend, der in Zukunft immer weiter umsich greifen wird.
Auch die Anzahl der Hitzetoten steigt immer weiter.
An dieser Stelle würde ich Sie und alle Anwesenden gerne einmal bitten, sich zu überlegen, wie viele Leute ihr kennt, die schon älter sind – um eine Zahl in der Raum zu werfen:
Wie viele Leute kennt ihr, die über 65 sind?
Wie viele Leute kennt ihr, die im Verlaufe ihres Lebens wahrscheinlich einmal 65 werden?
Wie viele Leute mit Erkrankungen am Herzen oder den Nieren kennt ihr?
Wie viele, die allgemein nicht mehr so fit sind?
Wie viele Schwangere und wie viele kleine Kinder?
Wollt ihr vielleicht selbst einmal Kinder bekommen oder wartet ihr schon auf die nächsten Enkel?

Das alles sind Menschen, die durch die zunehmende Hitze immer stärker gefährdet werden. Und ich unterstelle jetzt einfach mal, dass es niemanden in diesem Raum gibt, der nicht auch zu einer dieser Risikogruppen gehört oder zumindest enge Angehörige hat, die in mindestens eine dieser Kategorien fallen. Ich gehe davon aus, dass jedem der Personalmangel im Gesundheitswesen ein Begriff ist. Ebenso, dass auf absehehbare Zeit keine wirkliche Lösung in Sicht ist. Wir schaffen es schon heute häufig nicht, all unsere Patient:innen adäquat zu versorgen. Wenn durch den Kilmawandel wegen Hitzewellen und Wetterkatastrophen immer mehr Leute schlagartig unsere Praxen und Krankenhäuser fluten, das Personal aber nicht auf wundersame Weise plötzlich um ein Vielfaches mehr wird, dann weiß ich ganz ehrlich nicht, wie wir dann noch eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherstellen sollen.
Kurzum: Der Klimawandel betrifft uns schon heute und wird uns alle – jeden einzelnen Menschen hier im Raum, in dieser Stadt und auf der ganzen Erde – im Laufe ihres Lebens immer stärker betreffen. Ich war zum Zeitpunkt der Aktion, um die es heute geht 22 Jahre alt. Ich will nicht wissen, wie die Welt aussieht, wenn ich 50 oder 70 Jahre alt bin. Falls ich jemals so alt werden darf.
Ich weiß nicht, was diese Fakten mit Ihnen machen – ich finde es höchst beunruhigend.
Ich gehe davon aus, dass wir uns bis hier hin alle einig sind: Wir müssen etwas gegen die Klimakatastrophe tun, weil sie eine existenzielle Gefahr für unsere Gesellschaft ist und zahllose Menschenleben gefährdet.
Eigentlich wäre es die Aufgabe unserer Bundesregierung und jeglicher staatlichen Institution – also auch dieses Gerichtes – die ihr politisch anvertraute Macht zur Staatsverwaltung zum Wohle der deutschen Bevölkerung einzusetzen. Das gilt ganz besonders im Angesicht einer so dramatischen Bedrohung wie der des Klimawandels.
Nicht umsonst steht in Artikel 20a) im Grundgesetz: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“
Schauen wir uns aber an, was tatsächlich passiert, ist das Ergebnis mehr als ernüchternd:
Der eigene Expertenrat für Klimafragen hat der Bundesregierung erst vor wenigen Tagen zum wiederholten Mal in einem Sondergutachten bescheinigt, dass auch mit dem aktuellen Klimaschutzgesetz die Ziele für 2030 verfehlt werden. Dabei sind selbst die gesetzlich vorgesehenen Ziele zur Emissionsreduktion aus wissenschaftlicher Sicht lange nicht ausreichend, um unseren Beitrag zu Verhinderung einer irreversiblen Kippunkt-Kaskade zu leisten. Auf den Punkt gebracht: Die Bundesregierung wird mit der aktuellen Politik ihre ohnehin schon unzureichenden Ziele auch noch verfehlen. Und das alles, obwohl Umfragen nach für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung
Klimaschutz durchaus ein relevantes Thema ist und auf der Pariser Klimakonferenz der Einhaltung des 1,5 – Grad- Ziels im völkerrechtlichen Vertrag oberste Priorität eingeräumt wurde.
Es geht hier also weder darum, der Mehrheit die eigene Meinung aufzuzwingen, noch gegen demokratisch beschlossene Willenserklärungen Einspruch zu erheben, sondern allein darum, dass die Bundesregierung sich an ihre eigenen Versprechen und Ziele hält!
Es geht hier also nicht darum, den eigenen politischen Willen durchzusetzen, sondern alleine darum, eine existenzielle Katastrophe zu verhindern. Einen Job, den unser Staat auf absehbare Zeit offensichtlich nicht hinbekommt. Soweit wahrscheinlich auch kein Punkt, der irgendwen hier vom Hocker haut.
Die entscheidende Frage, der wir uns nun alle stellen müssen ist nun: Was machen wir daraus? Möchte ich weiter stumm zusehen, wie unsere Lebensgrundlagen unwiederbringlich zerstört werden? Oder möchte ich meinem Anspruch ein guter Mensch zu sein genügen? Möchte ich versuchen aktiv Einfluss zu nehmen und unsere Gesellschaft und die Zukunft mit zu gestalten? Oder entscheide ich mich aktiv dafür, nichts zu tun und stumm zuzusehen, wie alles weiter seinen Gang geht, in dem Wissen, dass genau dieses Verhalten am Ende zahllose Leben kosten wird?
Um den französischen Schriftsteller Molière zu zitieren: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“
Welche Folgen hätte mein Nichtstun? Mache ich mich dann nicht auch in gewisser Weise schuldig an all dem, was ich mich nicht entschieden habe, aktiv zu verhindern?Und: Wie werde ich am besten aktiv? Ich vermute jetzt einfach mal, der Großteil von Ihnen hat auf diese Fragen zwar mit „Ja, ich will etwas tun“ oder zumindest „Ja, ich sollte etwas tun“ geantwortet.
Aber nicht unbedingt mit „Genau. Und das ist für mich ein ganz klarer Grund, hier in Konstanz die neue Rheinbrücke zu blockieren!“.
Verständlich. Hätte ich vor drei Jahren auch nie gedacht.
Warum habe ich mich trotzdem dafür entschieden, zusammen mit anderen Mitgliedern der
letzten Generation zivilen Ungehorsam zu leisten?
Na ja – wenn ich ehrlich bin, dann insbesondere aus dem Grund, weil ich damal keine bessere Alternative gesehen habe. Und Angst hatte, vor dem was passiert, wenn ich es nicht tue.
Ob es da nicht auch andere Möglichkeiten gegeben hätte?
Natürlich. Die Frage ist nur, ob diese mehr Aussicht auf Erfolg gehabt hätten. Es steht außer Frage, dass es mehr als eine Art gibt, sich in einer Demokratie und noch allgemeiner in die gesellschaftliche Debatte einzubringen. Aber fairer Weise muss man auch sagen: nicht jede Protestform ist für jedes Problem gleich gut geeignet. Welche also wäre die Beste im Kampf gegen den Klimawandel? Dabei gibt es eine Sache, die den Klimawandel grundlegend von allen anderen gesellschaftlich relevanten Themen unterscheidet:
Es gibt eine Deadline.
Wenn wir ein bestimmtes Level an Erwärmung überschreiten, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann werden Milliarden Menschen sterben. Dieser Punkt wird vermutlich in wenigen Jahren erreicht.
Deshalb können wir es uns als Klimabewegung – als Menschheit – nicht leisten zu scheitern. Wenn die Einführung des Frauenwahlrechte oder die des Mindestlohns gescheitert wäre, so hätten wir das selbe Projekt zehn, zwanzig, achtzig Jahre später noch einmal in Angriff nehmen können. Beim Klimawandel geht das nicht. Überschreiten wir einmal die kritische Grenze, ist es zu spät.
Das ist auch der Grund, warum es eben nicht reicht zu sagen: „Wir haben ja schon einige Fortschritte gemacht. Veränderung braucht eben Zeit. So ganz langsam tut sich da was.“
Um das deutlich zu machen, würde ich gerne ein paar Sätze aus dem Film „La Haine“ zitieren, die meiner Meinung nach das Problem sehr bildlich auf den Punkt bringen: „Dies ist die Geschichte von einem Mann, der aus dem 50. Stock von nem Hochhaus fällt. Während er fällt, wiederholt er, um sich zu beruhigen immer wieder: Bis hierher lief’s noch ganz gut. Bis hierher lief’s noch ganz gut,… Aber das wirklich schlimme ist nicht der Fall, sondern der Aufprall.“Wir befinden uns als Gesellschaft und als Menschheit im Bezug auf den Klimawandel gerade im freien Fall. Und es ist ganz klar: Entweder wir schaffen es, echten Klimaschutz zu machen und den Fallschirm aufzuspannen, bevor wir die Kippunkte reißen und auf dem Boden zerschellen oder wir schaffen es nicht. Ein „Wir sind auf einem guten Weg, weil Stand aktuell, schaffen wir es den Fallschirm zehn Minuten nach dem Aufprall aufzuspannen“ ist nichts, was in irgendeiner Weise zur Rettung beiträgt.
So pathetisch es klingt: Wir haben jetzt noch die Möglichkeit, den Untergang, der uns bekannten Welt zu verhindern. Doch die Zeit zerrinnt uns zwischen den Fingern. Aus diesem Grund ist die Protestform angebracht, die am schnellsten Aussicht auf Erfolg hat. Einfach weil Zeit gerade unser drängendstes Problem ist. An dieser Stelle wird oft diskutiert, was der eigenen MEINUNG nach, der wirksamste Protest
sei oder ob Protest überhaupt schneller Veränderung bewirken könnte, als alle vier Jahre wählen zu gehen oder mit gutem Beispiel voranzugehen und z.B. fortan auf das eigene Auto zu verzichten. Dabei wird oft vergessen, dass es nicht nur naturwissenschaftliche Forschung zum Klimawandel gibt, sondern auch ein ganzes Forschungsfeld, das sich nur mit den Dynamiken und der Wirksamkeit von zivilem Protest beschäftigt: Die Protestforschung.
Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, aber meiner Ansicht nach, sind die Erkenntnisse von Protestforschenden, die sich jahrelang mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben, in dieser Hinsicht alle mal fundierter als die persönliche Meinung von uns allen hier, inklusive mir, was die Vor- und Nachteile einzelner Protestformen betrifft. Inwiefern wir einzelne Protestformen auf Grundlage dessen dann in „finde ich gut und gerechtfertigt“ oder „finde ich trotzdem nicht gut“ einordnen, das bleibt jedem selbst überlassen. Aber ich finde es wichtig, sich zumindest einmal halbwegs mit der Thematik beschäftigt zu haben, bevor man sich seine eigene Meinung dazu bildet.
Kommen wir nun zum wirklich interessanten Part.
Der auch der Hauptgrund, warum ich mich vor gut einem Jahr entschieden habe, mit der Letzten Generation auf die Straße zugehen: Wenn man sich auch nur ein bisschen eingehender mit Protestforschung beschäftigt, stellt man sehr schnell fest, dass ziviler Ungehorsam das vielversprechendste Mittel ist, um Veränderung zu bewirken. Warum? Schauen wir uns die verschiedenen Arten, sich in der Gesellschaft einzubringen einmal an:
Mir selbst wurde häufig von anderen Leuten vorgeschlagen, dass ich mit Aktivismus aufhören soll und lieber selber so klimafreundlich leben wie es geht. Auf diese Weise könnte ich dann andere inspirieren, die dann wieder andere inspirieren…Na ja. Was sagt die Protestforschung dazu? Bis wir so die nötige Veränderung in der ganzen Gesellschaft erreichen, geht erfahrungsgemäß sehr viel Zeit ins Land – Zeit, die wir im Fall des Klimawandels aber nicht mehr haben.
Auch der deutsche Ethikrates hat sich klar geäußert: „Es ist unangemessen, wenn stattliche Akteure von Individuen emissionsärmeren Konsum erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Voraussetzungen zu einem guten Teil nicht erfüllt sind oder sogar kontaktiert werden, sodass emissionsärmeres Handeln in vielen Fällen immer noch
moralisches Heldentum verlangt.“
In einfachen Worten zusammengefasst:
Klimaschutz ist kein Problem, dass wir allein auf individueller Ebene lösen können. Das würde bedeuten, dem Einzelnen ein Maß an Verantwortung zuzuweisen, das praktisch für die meisten kaum erfüllbar ist.
Wenn ich heute von hier aus nach London reisen würde, dann kostet der Flug Frankfurt – London um die 70€. Würde ich die selbe Strecke mit der Bahn zurücklegen wollen, dann kostet mich das selbst mit Jugendrabatt immer noch 275€. Das sind über 200€ mehr, dafür, dass ich mich entscheide, dem Klima zuliebe aufs Fliegen zu verzichten.
Ähnlich sieht es in vielen anderen Bereichen aus. Klimaschädliche Produkte und Verhaltensweisen werden aktiv gefördert und klimafreundliche verlangen vom Indiviuum einen erheblichen Mehraufwand. Das ist viel Eigenverantwortung und Idealismus in einem dahingehend ungerechten System.
Genau für solche Fälle gibt es eigentlich Gesetze, die Verhalten, das der Allgeinheit nachweislich schadet unter Strafe stellen und Rahmenbedingungen schaffen, die es dem Einzelnen überhaupt ermöglichen, klimafreundlich zu handeln.
Meinen Überlegungen nach bedeutet das, dass wir uns mit der Forderung nach mehr Klimaschutz zuallererst an die Politik richten müssen. Denn: Was wir jetzt am dringendsten brauchen, ist ein politischer Rahmen, der ökologisches Handeln einfach und möglich macht.
Was gibt es also für Möglichkeiten, sich direkt an die Politik zu wenden und wie wahrscheinlich ist es, dass sie gehört werden?
Das Este, was mir damals eingefallen ist, war Wählen.
ABER:
Wie ich vorhin schon erläutert – selbst eine vergleichsweise progressive Regierung schafft keine ausreichenden Regelungen, um Klimaschutz einfach und möglich zu machen. Nochmal und nochmal vier Jahre zu warten, auch das ist Zeit, die wir uns aktuell nicht mehr leisten können. Zur Erinnerung: Wenn wir es nicht schaffen, den Klimawandel und unsereÖkosysteme in den Griff zu bekommen, sterben unzählige Menschen und eine Naturkatastrophe nach der anderen – das ist der Alltag für den Rest.
Das Zweite, woran ich gedacht habe, war Klimaaktivismus. Grob gesagt, kann man Protest in drei Stufen unterteilen:
1. Protest im Rahmen des gesetzlichen Systems – das heißt z.B. Petitionen, angemeldete Demonstrationen, Mahnwachen und der Gleichen.
2. Friedlicher Ziviler Ungehorsam – also das bewusste Übertreten von kleinen Regeln, um auf ein viel größeres Unrecht aufmerksam zu machen. Wie zum Beispiel die Straßenblockaden der Letzten Generation oder auch die Schulstreiks von Fridays for Future.
3. Gewaltvoller Protest – das wären Dinge wie Entführen von Politiker:innen, Terroranschläge oder was ein sehr wütender Passant bei der Aktion auf der Rheinbrücke letzten Sommer um die es heute geht, vorgeschlagen hat, als er von uns gefragt wurde, was seine bessere Alternative zu Straßenblockaden wäre: „Olaf Scholz anzünden. Dann trifft es wenigstens die Verantwortlichen.“ Zitat Ende.
Vergleicht man diese drei Stufen untereinander, indem man sich vergangene Protestbewegungen wie die zu Frauenwahlrecht, Bürgerrechten in den USA, dem Mauerfall und viele weitere anschaut, so kommt man zu folgendem Ergebnis:
Friedlicher Ziviler Ungehorsam ist ungefähr doppelt so effektiv darin, Veränderung zu bewirken wie Protest im Rahmen des Systems oder gewaltvoller Widerstand.
Die Theorie dahinter ist in groben Zügen wie folgt:
Friedlicher Protest im Rahmen der gesetzlichen Ordnung ist zu wenig kontrovers um schnell viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Die nötige Aufmerksamkeit kommt erst, wenn sich genug Leuten angeschlossen haben, dass alleine die Masse für Aufmerksamkeit ausreicht. Damit Leute sich einem Protest anschließen, ist öffentliche Aufmerksamkeit jedoch eine der relevantesten Voraussetzungen. Die Katze beißt sich hier also gewissermaßen in den Schwanz. Ohne Aufmerksamkeit keine Leute, ohne Leute keine Aufmerksamkeit. Ohne Aufmerksamkeit kein gesellschaftlicher Einfluss.
Gewaltvoller Protest auf der anderen Seite, erregt zwar viel Aufmerksamkeit, schreckt Leute allerdings gleichzeitig davon ab, sich anzuschließen, da die konkreten Aktionen von der Mehrheit als moralisch verwerflich eingeordnet werden und die persönlichen Konsequenzen in der Regel sehr hoch sind. Einmal ganz abgesehen davon, dass ich gewaltvollen Protest aus ethischen Gründen niemals für mich persönlich in Erwägung ziehen würde, wäre es auch einfach nicht sonderlich effektiv.
Ziviler Ungehorsam dagegen versucht, die Vorteile beider Protestformen in sich zu vereinen. Durch das friedliche Übertreten von Regeln, wird möglichst viel Kontroverse und damit öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, ohne dass dabei ernsthaft Menschen zu Schaden kommen. Durch diese Aufmerksamkeit werden im Idealfall überall in der Gesellschaft Diskussionen erzeugt, die häufig zwar auch sehr kontrovers sind, aber eben auch dazu führen, dass gesellschaftliche Themen deutlich schneller und intensiver ausdiskutiert und im besten Fall in politische Maßnahmen übersetzt werden.
Je unignorierbarer und unmittelbarer der Protest in der Mitte der Gesellschaft stattfindet, desto höher die Aufmerksamkeit und damit auch die Aussicht auf Erfolg. Deshalb hat sich die Letzte Generation übrigens auch für das Mittel der Straßenblockade entschieden. Straßen sind allgemein frei zugänglich und geben nicht nur die Möglichkeit für Gespräche mit Autofahrer:innen sondern auch Fußgängern und Radfahrerinnen – die sich übrigensregelmäßig über unsere Aktionen und die autofreien Straßen gefreut haben. Dadurch kann die Konroverse unmittelbar in der Bevölkerung ausgelöst werden und Jounalist:innen können sich die Lage vor Ort anschauen und darüber Bericht erstatten. Alleine mit der
Versammlung auf der neuen Rheinbrücke, um die es heute geht, haben wir für mehre Tage Diskussionen in der ganzen Stadt ausgelöst und Zeitungsartikel in der ganzen Region bis hinein in die Schweiz bekommen. Ich bezweifle, dass wir das mit einer angemeldeten Demonstration in der Innenstadt jemals erreicht hätten.
Ein häufiges Argument in diesem Zusammenhang ist, dass die generelle Forderung nach mehr Klimaschutz zwar gerechtfertigt, aber die Form des Protestes kein geeignetes Mittel sei, weil die Forderung nach mehr Klimaschutz als Fernziel nicht berücksichtigt werden kann.
Dazu möchte ich gerne anmerken, dass jede einzelne Demonstration erstmal zum Ziel hat, auf das Thema aufmerksam zu machen und allein durch Plakate und Reden auch kein Nahziel im Sinne von höheren Löhnen oder humanerer Migrationspolitik erreicht. Warum sollte dann also von der Letzten Generation erwartet werden, dass wir durch unsere Aktionen einen direkten Beitrag zum Klimaschutz leisten?
Und es ist ja nicht so, als hätten wir als Klimabewegung nicht schon all diese anderen friedlichen, legalen Protestformen ausgeschöpft. Die entscheidende Veränderung ist allerdings ausgeblieben.
Ich selbst war lange Zeit bei Fridays for Future und im Konstanzer Klimacamp aktiv. Ich habe zahlreiche Petitionen unterschrieben, bei den Wahlen, an denen ich bisher alt genug war, um teilzunehmen, mein Kreuz immer bei Parteien gemacht, die die Dringlichkeit der ökologischen Katastrophe, in die wir uns sehenden Auges hineinstürzen, zumindest einigermaßen verstanden zu haben scheinen. Aber wir sehen alle, dass selbst eine vergleichsweise progressive Bundesregierung nicht in der Lage ist, ausreichende
Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.
Es gibt Leute, die versucht haben, Gaspiplines abzudrehen, Bäume zu pflanzen, in den Ministerien direkt zu protestieren oder Öltanker am Auslaufen zu hindern. Das entscheidene Element der Veränderung – die gesellschaftliche Diskussion blieb jedoch jedes Mal aus. Ich weiß nicht, ob sie mitbekommen haben, dass Mitglieder der Letzten Generation vor mehreren Monaten Gülle ins Landwirtschaftsministerium gekippt oder im Bundestag den Feueralarm ausgelöst haben. Ich persönlich hatte das auch nur am Rand mitbekommen. Die Straßenblockaden der „Klimakleber“ hingegen liefen monatelang in den Medien rauf und runter.
Das heißt jedoch keinesfalls, dass ich persönlich gerne Straßenblockaden mache und jedes Detail davon uneingeschränkt gut finde. Aber es war trotz allem immer noch das mildeste, mir zu Verfügung stehende Mittel, das noch nicht zuvor schon erfolglos ausprobiert worden ist. Ich bin nicht auf das Mittel der Straßenblockade festgelegt, sondern darauf, schlimmeres Unheil zu verhindern.
Ein Zitat hierzu aus einem Zeit-Artikel, der das Buch des Juristen Tim Wihl zu Widerstand in der Demokratie zusammenfasst:
„Wir müssen Demokratien nicht bloß als Regierungs-, sondern zugleich auch als Lebensform begreifen. Diese Lebensform äußert sich im Protest als Öffenlichkeit, die sich artikulieren will. Sie ist unvorhersehbar und gerade im Gegensatz zu Legislative, Judikativeoder Exekutive informell. Doch ergänzt genau diese wilde Seite eine Demokratie mit einer notwendigen „protestativen Gewalt“, denn „jede Reife Demokratie entwickelt neben ihrer institutionellen Ordnung auch eine wilde Seite, in der sich bürgerschaftlicher Protest auslebt.“
Heute sind wir als Letzte Generation durch unsere Straßenblockaden unter anderem so stark gewachsen, dass die aktuelle Strategie nicht mehr auf klassische Klebeproteste ausgelegt ist, weil nun mit mehr Mitstreiter:innen auch andere potentiell effektive Mittel zur Verfügung stehen. Unter anderem aus diesem Grund habe ich aktuell auch nicht mehr vor, in Zukunft an vergleichbaren Aktionen teilzunehmen. Aus damaliger Perspektive halte ich die damalige Versammlung aber immer noch für gerechtfertigt.
Ein weiteres häufiges Argument im Zuge von Gerichtsprozessen ist, das Ziel sei richtig, aber nicht der Weg … Meine ehrliche Frage an sie alle hier: Was wäre ihre bessere Idee, die noch nicht ausprobiert wurde? Welches mildere Mittel würde innerhalb der begrenzten Zeit, die wir noch zur Verfügung haben, wahrscheinlicher zum Erfolg führen?
Zur Erinnerung: Wenn wir scheitern, werden Menschen sterben.
Zusammenfassend die Hintergründe meiner Handlung
1. Der Schutz von Menschenleben, Menschenwürde und unserer Demokratie sind zentrale Grundwerte unserer Gesellschaft. Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen sind im besonderen Maße dafür verantwortlich, auf Gesundheitsgefahren hinzuweisen, um Leben und Gesundheit aller zu schützen. Neben meinen persönlichen Wertvorstellungen, erachte ich es deshalb auch als meine bürgerliche und berufsethische Verpflichtung, diese Grundwerte zu verteidigen.
2. Der Klimawandel und andere damit vergesellschaftete planetare Krisen gefährden schon heute massiv Menschenleben und somit auch die oben genannten Grundwerte, auf denen unsere Gesellschaft fußt. Laut aller einschlägigen wissenschaftlichen Analysen, unternimmt unsere Bundesregierung nicht ansatzweise genug, um zu verhindern, dass diese Extreme auch schon zu unseren Lebzeiten massiv ansteigen und schlussendlich mindestens den Fortbestand unserer Zivilisation, wenn nicht sogar den der Menschheit an sich, gefährden. Rein wissenschaftlich wäre ein Umsteuern jedoch höchstwahrscheinlich noch möglich – es wird nur nicht umgesetzt. Für eine konsequente zeitnahe Umsetzung, wie sie dringend
erforderlich ist, sind wir auf staatliche Maßnahmen als zentrale Säule angewiesen.
3. Da alle anderen milderen Mittel schon von der Klimabewegung und mir selbst ausprobiert wurden, aber nicht absehbar in dem kleinen Zeitfenster, das uns zur Verfügung bleibt, zum Erfolg führen werden, ist friedlicher ziviler Ungehorsam die nächste logische Stufe. Aus zahlreichen wissenschaftlichen Analysen geht klar hervor , dass ziviler Ungehorsam die effektivste Protestform ist, um am schnellsten und zuverlässigsten die Veränderung zu erreichen, die wir so dringend brauchen.
4. Die konkrete Versammlung auf der neuen Rheinbrücke vor mittlerweile gut einem Jahr hatte, wie alle politischen Versammlungen, allein zum Ziel, Aufmerksamkeit für das Thema Klimaschutz in der Bevölkerung zu erreichen. Der Protest richtete sich als Appell an die Allgemeinheit und nicht speziell an die in Folge dessen im Stau stehenden Autofahrenden. Er sollte symbolisch verdeutlichen, dass wir unsere Lebensweise grundlegend verändern müssen, wenn wir in Frieden und Freiheit überleben wollen. Das beinhaltet zum Beispiel auch, in Zukunft unsere Autos stehen zu lassen. Die eigentliche Forderung richtete sich jedoch an die Politik. Deshalb auch unsere mitgeführten Banner „Art. 20a = Leben retten“ und „Letzte Generation vor den Kippunkten“.
Dabei haben wir zu jeder Zeit darauf genau darauf geachtet, im Zweifel innerhalb von Sekunden eine Rettungsgasse frei machen zu können, damit Leute, die Hilfe benötigen diese auch bekommen können. So wie es in jedem anderen Stau idealerweise auch der Fall ist. Ich selbst war aus diesem Grund auch nicht an der Straße, sondern nur an einer anderen Person festgeklebt. So hätte ich im Zweifel innerhalb von Sekunden aufstehen und selbst für große Einsatzfahrzeuge ausreichend Platz machen können. Dass es an diesem Tag so heiß war, warreiner Zufall und wurde nicht von uns so beabsichtigt. Allerdings führt dieser Umstand nochmals sehr gut vor Augen, warum wir uns überhaupt dazu entschieden haben, auf die Straße zu gehen: Wenn wir nichts unternehmen wird das und schlimmer unser neuer Alltag sein. Davon sind wir alle betroffen. Als Protestierende, als Autofahrende an jenem Tag in Konstanz und jeder anderen Region in Deutschland, an der es an diesem Tag zu Stau kam und als Menschen heute hier in diesem Gerichtssal.
Aus persönlicher Sicht würde ich darüber hinaus gerne ergänzen, dass genau solche Hitzetage der Grund sind, warum wir uns überhaupt auf die Straße begeben haben. Wir fordern konsequenteren Klimaschutz, gerade weil alles andere dazu führen wird, dass Situationen wie die genannten immer häufiger und heftiger werden. Wir werden auch in Zukunft nicht verhindern können, dass Leute im Stau stehen, dass Kinder beim Einkauf in Autos zurückgelassen werden, etc. Aber wir können verhindern, dass es dann regelmäßig über 30 Grad hat und Leute darunter leiden.“
Ich möchte Sie bitten, diese Hintergründe bei Ihrer Rechtsprechung miteinzubeziehen.
Die wie die Weltgesundheitsorganisation klar sagt: „Die Verbrennung fossiler Energieträger tötet uns. Der Klimawandel ist die größte Gesundheitsgefahr, der die Menschheit aktuell gegenüber steht.“
Was, wenn nicht all die Menschenleben, die auf dem Spiel stehen, wäre ein Grund, jetzt zivilen Ungehorsam zu leisten? Ziviler Ungehorsam bewegt sich genau an der Grenze zwischen legal und illegal. Ihre Rolle wird es heute sein, zu entscheiden, auf welcher Seite sie mich sehen. Gesetze sind menschengemacht und als solche variabel. Sie können und müssen verändert bzw. neue interpretiert werden, wenn neue Situationen dies erfordern. Die Klimakatastrophe ist meiner Auffassung nach eine solche neuartige gesellschaftliche Herausforderung. Wir befinden uns in einem Ausnahmezustand, der besondere Maßnahmen – und meiner Meinung nach auch eine besondere Rechtsprechung erfordert.
Meine Fragen heute an dieses Gericht sind: Ist es wirklich noch zeitgemäß, die Fernziele in der Beurteilung von Klimaaktivismus völlig außer Acht zu lassen? Was wollen Sie mit der Strafe bezwecken? Wollen Sie mich dafür bestrafen, dass ich nicht geschwiegen habe sondern aufgestanden bin? Ist das wirklich verwerfliches Verhalten? Ist es nicht viel verwerflicher, nichts zu tun? Einfach stumm in Kauf zu nehmen, dass Milliarden Menschen sterben?
Ist es wirklich richtig, dass ich heute hier auf der Anklagebank sitze und nicht die Leute, die jeden Tag alles dafür tun, unsere Lebensgrundlagen weiter zu zerstören?
Vielleicht braucht es gerade Freisprüche wie letztens vor dem Amtsgericht Mainz, damit noch mehr Menschen sich trauen, aufzustehen. Damit die Politik zuhört. Ich weiß, dass es zahlreiche juristische Argumentationen gibt, auf deren Grundlage sie mich freisprechen könnten.
Wie auch immer die Entscheidung dieses Gerichts heute ausfallen mag, ich hoffe auf einen offenen, fairen Prozess und eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema.

    „Das Wissen um die Klimakatastrophe ist doppelt so alt wie ich“ – Einlassung zum Farbprotest am Brandenburger Tor.

    Mein Name ist R. S., und ich bin 22 Jahre alt. Das Wissen um die Klimakatastrophe ist doppelt so alt wie ich. Ich studiere Medizin und arbeite nebenbei auf einer Intensivstation.

    Und ich habe am 17.09.23 gemeinsam mit anderen Menschen das Brandenburger Tor orange eingefärbt.

    Die Klimakatastrophe ist da und sie ist tödlich.
    Bis 2050 sterben 14,5 Millionen Menschen an der Klimakatastrophe
    Die Klimakatastrophe ist die größte Gesundheitsgefahr der Menschheitsgeschichte – sagt die WHO.
    Die Klimakatastrophe ist da, und wir könnten sie noch aufhalten.
    Aber das Zeitfenster, in dem wir sie noch aufhalten können, schließt sich gerade. Klimaschutz ist Teil unserer Verfassung.
    Und Klimaschutz ist ein Menschenrecht. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat gerade die Schweiz dafür verurteilt, mit ihrer Mangelhaften Klimapolitik gegen die Menschenrechte zu verstoßen. Nichts gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte.
    Es geht hier nicht um die Eisbären, oder um ein bisschen mehr Hitze im Sommer.
    Es geht um Dürren, Hungersnöte, es geht um Hitzetote und um Flutkatastrophen.
    Es geht um die Fluten in Lybien und im Ahrtal, die Dürre am Horn von Afrika und in Frankreich, die Waldbrände in Spanien, Griechenland und Brandenburg.
    Es geht um Menschenleben. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    Wir dürfen die Klimakatastrophe nicht länger ignorieren, weil jede Minute, in der wir nicht handeln, tödlich ist. Der Protest am Brandenburger Tor war unignorierbar. Wir haben damit unignorierbar auf die Klimakatastrophe aufmerksam gemacht.

    Darauf, dass seit 40 Jahren die Wissenschaft ignoriert wird und keine notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden.
    Darauf, dass unsere Bundesregierung es noch nicht einmal schafft, das Ausmaß der Katastrophe ehrlich zu kommunizieren.

    Darauf, dass die Regierung jedes Jahr 60 Milliarden Euro in fossile Subventionen, in die Befeuerung der Klimakatastrophe investiert. 60 Milliarden Euro, an denen Menschen sterben.
    Darauf, dass deshalb Menschen sterben – im Ahrtal, im globalen Süden und im Berliner Hitzesommer. Sie sterben in der Klinik, in der ich mein FSJ gemacht habe, in der Klinik, in der ich gerade arbeite und in den Kliniken, in denen ich irgendwann mal arbeiten werde. Sie sterben in Altenheimen, in Kindergärten, auf der Straße oder zuhause.

    Wir haben mit dem Protest unignorierbar darauf aufmerksam gemacht, dass die Klimakatastrophe uns alle etwas angeht.

    Darauf, dass es unser Grundgesetz und unsere Menschenrechte sind, die jeden Tag gebrochen werden. Darauf, dass es unsere Demokratie ist, die in Gefahr ist.

    Wir haben unignorierbar darauf aufmerksam gemacht, dass wir das nicht länger akzeptieren dürfen.

    Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir darüber reden.
    Und um darüber reden zu können, müssen wir erst einmal darauf aufmerksam machen. Und das haben wir. Und es hat dazu geführt, dass wir darüber geredet haben, auf den großen und kleinen Bühnen, in Podiumsdiskussionen und beim Abendbrot, in Stammtischen und im Büro, auf der Straße und im Netz.

    Das BBT ist ein Denk-Mal. Es hat mehr Aufgaben, als nur auf Touri-Fotos zu sein.
    Es steht da und erinnert uns heute daran, dass einmal die Mauer fiel.
    Vor 200 Jahren hat es die Menschen an das Ende der napoleonischen Herrschaft erinnert. Und im Herbst hat es, zumindest für eine kurze Zeit, an die Klimakatastrophe erinnert. Hedwig Richter, Professorin für neue und neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr München, hat unsere Aktion „einen würdigen Gebrauch unseres Nationaldenkmals genannt“.

    Es ist schon ein wenig absurd, dass wir jetzt hier vor Gericht stehen und angeklagt werden, weil wir auf die Grund- und Menschenrechtsverletzungen der Bundesregierung aufmerksam gemacht haben.
    Angeklagt, wegen ein bisschen wasserlöslicher Farbe auf offenporigem Sandstein, während jeden Tag Menschen durch das Handeln der Bundesregierung umgebracht werden.

    Ein riesiger Prozess, als hätten wir keine größeren Probleme als wasserlösliche Farbe auf offenporigem Sandstein, als würden nicht täglich die Grund- und Menschenrechte verletzt werden, Menschen an den Folgen der Klimakatastrophe verrecken oder im Mittelmeer ertrinken.

    Ihr sagt, wir sollen doch bitte so protestieren, dass es niemanden stört.
    Ich protestiere nicht zum Selbstzweck, das könnt ich auch zuhause machen.
    Ich protestiere, um mir Gehör zu verschaffen.
    Die Gewinnerin des diesjährigen Studienpreises, Samira Akbarian, sagt, dass Konsens, Gehorsam in einer Demokratie überhaupt nur dann erreicht werden kann, wenn Dissens, also Ungehorsam möglich ist. Ziviler Ungehorsam zeigt ein Demokratiedefizit auf.
    Er tritt immer dann in den Raum, wenn andere Wege nicht gehört wurden.

    Das Recht, zu protestieren beinhaltet nicht nur das Recht, meine Meinung zu äußern, sondern auch das Recht, diese Meinung hörbar, sichtbar zu machen.
    Es ist eine schwerwiegende Einschränkung, dass ich nur protestieren darf, wenn mein Protest nicht stört, nicht sichtbar ist und einfach ignoriert werden kann.

    Es ist mir nicht leicht gefallen, diesen Protest zu machen.

    Das Wissen um die Klimakatastrophe ist doppelt so alt wie ich, und die Untätigkeit der Regierungsverantwortlichen auch.
    Was soll ich tun, als 22-jährige Person, wenn 40 Jahre Petitionen und angemeldete Demonstrationen nichts gebracht haben gegen eine Katastrophe, in die ich ungefragt hineingeboren wurde, die ich nicht verursacht habe?

    Was soll ich tun, wenn ich weiß, dass die Bundesregierung gerade nichts tut, um meine Lebensgrundlagen zu schützen? Wenn ich weiß, dass ihr das anscheinend zu egal ist?

    Auch wenn das Wort „offenporiger Sandstein“ in diesem Prozess heute oft fallen wird, geht es hier nicht wirklich um den Sandstein.

    Es geht um die Frage, was wir tun, wenn unsere Regierung ihre eigene Verfassung bricht. Wenn sie vom Bundesverfassungsgericht verurteilt wird, und trotzdem weitermacht wenn eine Regierung gegen Grund- und Menschenrechte verstößt und auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts sie nicht davon abbringt.

    Wenn Sie sich für Profite von Konzernen und den Luxus von Superreichen entscheidet und damit Menschen umbringt. Wenn schon seit Jahren Menschen an einer Katastrophe sterben, die wir einfach aufhalten könnten, deren Tod wir einfach verhindern können.

    Wenn es den Verantwortlichen egal ist, wie viele Menschen jeden Sommer an der Hitze verrecken, an Dürren, an Hungersnöten oder in Fluten wie im Ahrtal. Es ist eine aktive politische Entscheidung, dass diese Menschen sterben, und die Regierung könnte diese Entscheidung jederzeit auch anders treffen.

    Es geht um die Frage, wie wir mit dem Wissen um die Folgen der Klimakatastrophe umgehen, mit dem Wissen, dass wir sie noch aufhalten können und mit der daraus resultierenden Verantwortung.

    Es geht um die Frage, ob – in Anbetracht der Gefahr, die die Klimakatastrophe für die Menschheit, die Demokratie und das Leben darstellt – es legitim ist, darauf aufmerksam zu machen, indem man Farbe aufs Brandenburger Tor sprüht.

    Ehrlich gesagt, es wäre falsch, es nicht zu tun.

    „Die Bundesregierung verweigert ihre Arbeit“ – Einlassung zum Farbprotest am Brandenburger Tor.

    Ich heiße W. L., bin 64 Jahre alt und hatte in meinem Leben bisher verschiedene Berufe. Ich habe als Orgelbauer:in, Tischler:in, Drucker:in, Hausmeister:in und Tanzlehrer:in gearbeitet. Inzwischen bin ich Rentner:in.

    Am 17. September des letzten Jahres habe ich zusammen mit anderen Aktivisten der Letzten Generation, die Säulen des Brandenburger Tors eingefärbt.

    Es war der Auftakt zu einer Protestwelle gegen die zerstörische Klimapolitik der Bundesregierung.

    Einer Politik, die die zukünftigen Lebensgrundlagen der Menschheit verspielt, für ein bequemes und sattes Leben im Jetzt und hier in den Industrienationen.

    Ich halte die Proteste der Letzten Generation im Angesicht der beginnenden Klimakatastrophe für angemessen und notwendig. Durch diese Proteste gelang es das Thema Klimaschutz in der öffentlichen Wahrnehmung zu halten, trotz Krieg in der Ukraine, trotz „Energieknappheit“ und Inflation, trotz antisemitischen Terrors der Hamas in Israel und dem Krieg im Nahen Osten, trotz des Aufgstiegs der faschistischen AFD. Und das ist absolut notwendig. Vielen Menschen scheint die schier unfassbare Dimension und Dynamik, der auf uns zu rasenden Klimakatastrophe nach wie vor nicht klar zu sein, vor allem, dass es ab bestimmten Punkten kein Zurück mehr in die klimatischen Bedingungen der letzten Jahrtausende gibt, die die sagenhafte Entwicklung der Menschheit erst ermöglicht haben. Wenn bestimmte klimatische Kipppunkte überschritten sind, rasen wir unaufhaltsam in die Klimahölle. Weite Teile der Erde werden für Menschen nicht mehr bewohnbar sein, für die Lebensmittelproduktion werden nicht mehr genügend Flächen zu Verfügung stehen.

    Mit 8 Milliarden Menschen ist quasie die gesamte im Moment z. Zt. noch bewohnbare Erdoberfläche von Menschen besiedelt; es gibt es keine Ausweichmöglichkeiten, die für diese große Menge von Menschen ohne kriegerischen Auseinandersetzungen denkbar wären. Es wird Verteilungskämpfe und Kriege um Wasser, Land und andere lebensnotwendige Ressourcen geben. Autoritäre und populistische Regierungen werden überhand nehmen, Demokratien werden wir nur noch aus den Geschichtsbüchern kennen. Soziale Gemeinwesen werden sich, wenn alle ums Überleben kämpfen müssen, nicht mehr behaupten können. Es ist so wie der Generalsekretär der UN, António Guterres sagt: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal.“

    Die Überschwemmungen vorletzten Sommer in Pakistan mit über 1500 Toten und Millionen Obdachlosen, die Dürren in Italien und Frankreich, inzwischen auch im Winter und im letzten Sommer katastrophale Brände und Überschwemmungen im Mittelmeerraum, zeigen, dass die Folgen des menschengemachten Klimawandels sehr bald unser bequemes Leben massiv beeinträchtigen werden.

    Und die Bundesregierung verweigert die Arbeit. Sie weigert sich, das Pariser Klimaschutzabkommen, das mit überwältigender Mehrheit des Bundestages angenommen wurde, umzusetzen. Weigert sich, die schon zu geringen, eigenen Vorgaben zu erfüllen, weigert sich einfachste Sicherungsmaßnahmen, wie ein Tempolimit einzuführen; verwässert die sowieso schon viel zu schwachen Klimagesetze. Sie setzt weiter und verstärkt auf fossile Energieträger, die den Energieheißhunger unserer Gesellschaft stillen sollen. Fördert die Erschließung und Ausbeutung neuer Erdgasfelder vor dem Senegal, verpflichtet sich mit Gaslieferverträgen mit Katar mit einer Laufzeit von 15 Jahren auch dann noch Erdgas abzunehmen, wenn wir überlebensnotwendiger Weise schon lange komplett auf erneuerebare Energie umgestiegen sein müssten.

    Sie verweigert sich ihrem Verfassungsauftrag unsere Lebensgrundlagen und auch die künftiger Generationen zu schützen.

    Wir wollen erreichen, dass die Bundesregierung endlich kommuniziert, dass unser Konsum nicht immer weiter wachsen kann, sondern dass wir massive Einschränkungen hinnehmen müssen, wenn wir nicht alles verlieren wollen. Und ich hoffe, dass sie endlich die notwendigen politischen Rahmenbedingungen für diese Maßnahmen schafft.

    Das kann nur gelingen, wenn sich richtig viele Menschen dazu durchringen diese Fahrt in den Tod nicht mehr mitzumachen und mit uns zusammen protestieren. Darum will ich alle dazu einladen gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Menschheit eine

    noch einigermaßen auskömmliche Zukunft hat. Wir müssen alle unserer Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen und der Menschen, die jetzt schon massiv unter den Folgen des Klimawandels leiden, gerecht werden.

    Wir sind alle leider die letzte Generation vor den Klima-Kipppunkten, die letzte Generation, die noch etwas gegen die Klimahölle unternehmen kann.

    „Die Klimakrise ist nicht nur eine ökologische Krise, sondern…“ – Worte einer Aktivistin der Letzten Generation aus ihrer Einlassung.

    Ich würde an dieser Stelle gerne ein wenig ausholen und Kontext zu meiner Person und Motivation für mein Engagement geben.

    Ich erinnere mich ziemlich gut an den sonnigen Herbsttag, vor ein bisschen mehr als zwei Jahren, als ich das erste Mal durch Freiburg gelaufen bin. Ich war aufgeregt und gespannt – eine neue Stadt, neue Menschen, anfangen zu studieren. Vermutlich bin ich sogar am Amtsgericht vorbeigekommen, und hätte mir zu dem Zeitpunkt ziemlich sicher nicht vorstellen könne, dass ich zwei Jahre später hier auf einer Anklagebank sitze und mir aus dicken Akten vorgelesen wird, was mir zur Last gelegt wird.

    Ich bin hierher nach Freiburg gezogen, um Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften zu studieren. Die Natur war schon immer von großer Bedeutung für mich und ich wollte mehr wissen. Wie Ökosysteme funktionieren, wie komplex und einzigartig unsere Natur ist und wie alles miteinander zusammenhängt. Mir wurde schnell klar, dass das auch bedeutet, dass alles sehr fragil ist und dass manche Dinge, wenn sie aus dem Jahrtausende alten, genau aufeinander abgestimmten Gleichgewicht geraten, nicht mehr so leicht wieder in Balance zu bringen sind.

    Ich wollte auch mehr wissen über Mensch-Umwelt-Gesellschafts-Beziehungen, wie wir als Menschen untrennbar mit unserer Umwelt verbunden sind und als Gesellschaft mit ihr in Verbindung stehen. Ich finde diese Schnittstelle zwischen Mensch und Umwelt besonders spannend: wie kann ich Wissen über unsere Natur in die breite Masse kommunizieren und andere dafür begeistern und Bewusstsein schaffen. Auch hier wurde mir schnell klar, dass das alles viel mehr miteinander zusammenhängt, als ich gedacht habe und dass ökologisch Krisen häufig der Ausdruck und die Folge von sozialen Krisen, Ungleichheiten und Ausbeutungsverhältnissen sind.

    Mein Studium macht mir viel Spaß und ich bin froh, es gewählt zu haben. Aber es gibt Zeiten und Tage, da kann es auch sehr belastend sein und ich gehe verzweifelt aus dem Hörsaal, mit einem Kopf, der sich dreht vor Zahlen, Diagrammen und Prognosen. Denn wir lernen eben auch sehr viel über Mechanismen und Prozesse, die im Moment so ziemlich den ganzen Zustand unserer Umwelt, wie wir sie kennen, verändern. Die Klimakrise ist allgegenwärtig in meinen Vorlesungen und meinem Alltag.

    Ich denke oder hoffe sehr, dass alle hier Anwesenden im Bild sind darüber, wie unsere Welt aussehen wird, wenn wir der Klimakrise keinen Einhalt bieten. Und über das Leid, was ihre Folgen heute schon tagtäglich verursacht. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle nicht in langen Ausführungen verlieren, die wir alle schon tausendmal gehört haben. Ich möchte stattdessen nur ein paar wenige Punkte anreißen, die einfach immer wieder gesagt werden sollten.

    Wir steuern momentan auf eine ca. drei Grad heißere Welt zu. Hinter dieser abstrakten Zahl, die vermutlich nur Klimatolog*innen wirklich emotional verstehen, verbirgt sich eine unfassbare Menge an menschlichem und ökologischem Leid.

    Es geht hier um Naturkatastrophen, um rasant zunehmende Wahrscheinlichkeiten von Fluten und Überschwemmungen, Bränden, Dürreperioden, Ernteausfällen. Um kippende Kippunkte wie das schmelzende Grönlandeisschild, Prozesse, die wir nicht mehr aufhalten können, wenn sie einmal in Gang gesetzt wurden. Es geht um Hungersnöte und sich zuspitzenden Konflikten um immer begrenzter werdende Wasservorkommen. Um bewaffneten Konflikten um Ressourcen. Darum, dass signifikante Teile unserer Erde unbewohnbar werden. Je nachdem, auf welche Studie man sich stützt, könnten das bis 2070 19% der Landmasse sein. Das würde bedeuten, dass Milliarden von Menschen ihre Heimat verlieren werden. Fliehen müssen vor den Folgen der Klimakrise.

    Die Klimakrise ist nicht nur eine ökologische Krise, sondern vor allem auch eine soziale Krise und nicht zuletzt eine Krise der Menschenrechte. Verteilungsungleichgewichte, Menschen, die ihre Heimat verlieren, Gewalt in Kriegen und Konflikten um Ressourcen, all das erwartet uns in einer Welt, in der wir nicht versuchen, die Klimakrise abzuschwächen. Wir, meine Generation und vor allem alle zukünftigen Generationen werden davon betroffen sein. Aber Menschen werden eben auch, je nachdem wie privilegiert sie sind und wo sie leben in unterschiedlichem Maß von den Folgen der Klimakrise betroffen sein.

    Das können wir hier in Deutschland sehen, gesunde Menschen kommen mit vermehrten Hitzetagen besser klar als alte und kranke Menschen beispielsweise. Menschen mit hohem Einkommen können sich in klimatisierte Wohnungen zurückziehen, andere nicht.

    Das können wir aber vor allem auch global sehen. Deutschland ist eines der privilegiertesten Länder der Welt. Wir emittieren 2% der der weltweiten Emissionen und liegen somit auf Platz 4 weltweit. Wir sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Menschen im Globalen Süden jetzt bereits unverhältnismäßig stark an den Folgen der Klimakrise leiden, obwohl sie viel weniger emittieren.

    In einem offenen Brief wandten sich über 60 Professor*innen und Professoren des Verfassungs- und Völkerrechts an unsere Regierung. Ich zitiere: „Die Bundesregierung muss sich an die Verfassung halten. Und ein verbesserter Klimaschutz ist Vorgabe der Verfassung. Vor diesem Hintergrund fordern wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Verfassungs- und Völkerrechts die gesetzgebenden Organe des Bundes auf, das Klimaschutzgesetz nicht abzuschwächen. Wir fordern die Bundesregierung auf, ein effektives Klimaschutzprogramm mit ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele und damit der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu beschließen.“

    Der Brief schließt sich an das als Klimabeschluss bekannte Urteil vom 24. März 2021 des Bundesverfassungsgerichtes an, in dem klargestellt wird, was Artikel 20a des GG bedeutet und wozu er verpflichtet:

    „Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.

    Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.“

    (siehe: BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 -).

    Erst am 22.08.2023 hat der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung erneut bescheinigt, dass die Klimaschutzmaßnahmen zwar in die richtige Richtung gehen, aber bei weitem noch immer nicht ausreichen und zudem die Umsetzung nicht garantiert ist. Das bisherige Klimaschutzkonzept weise große Lücken und kein Gesamtkonzept auf. Zudem werde nicht deutlich, wie die restliche Lücke geschlossen werden solle. Die Lücke werde vermutlich auch bei vollständiger Umsetzung der geplanten Maßnahmen größer sein, als von der Regierung angegeben. Auch sonst gebe es in dem Programm „erhebliche Unschärfen und Unsicherheiten“, heißt es in der Stellungnahme. „Die erwartete Gesamtminderung wird daher vermutlich überschätzt.“ (vgl. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/expertenrat-klima-ampel-regierung-100.html)

    Meldungen wie diese lassen mich immer wieder verzweifeln an unserer Bundesregierung. An den Menschen, die durch einen demokratischen Prozess Verantwortung erhalten haben für uns alle. Diese Menschen haben einen Eid geschworen, unsere Verfassung einzuhalten und Leid von uns allen als Bevölkerung abzuwenden. Aber anstatt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts konsequent umzusetzen, werden die im Klimaschutzgesetz verankerten Sektorengrenzen und -ziele aufgeweicht. Besonders der Verkehrssektor verfehlt seine Ziele in einem unbegreiflichen Ausmaß. Und niemanden stört das. Was ist nur los hier frage ich mich dann? Es werden Vorgaben von Verfassungsrang aufgestellt und tagtäglich gebrochen. Und tagtäglich ist die Klimakrise präsent in den Nachrichtenmeldungen, die uns ereilen. Vor 2 Jahren forderte die Flut im Ahrtal 180 Tote. Die Flutkatastrophe in Libyen im September diesen Jahres kostete 11.000 Menschen das Leben. (ttps://www.tagesschau.de/ausland/afrika/libyen-flut-tote-100.html)

    Und dann ist da noch der Zeitfaktor. Es ist eben nicht egal, ob wir bestimmte Maßnahmen jetzt einleiten und 2030 Ziele erreichen oder ob wir 2030 damit anfangen und dann irgendwann später damit fertig sind. Wir haben ein begrenztes THG-Budget und jedes zusätzliche Molekül heizt unsere Atmosphäre weiter auf. Wir müssen JETZT handeln, um die Klimaerwärmung zu begrenzen. Wir müssen JETZT handeln, um nicht zu riskieren, dass die kritische Menge an C02 in der Atmosphäre überschritten wird, die einen Kipppunkt im Klimasystem auslöst – unpraktischerweise wissen wir nämlich gar nicht genau, um was für eine Menge es sich da exakt handelt, wir sollten also extra vorsichtig sein.

    Nicht nur, wenn man sich damit tagein tagaus in Vorlesungen und Seminaren beschäftigt, denke ich, dass klar wird, dass hier etwas passieren muss. Meine Versuche, etwas zu verändern, haben ganz klein angefangen, als ich noch viel weniger wusste über Treibhausgase und schmelzende Gletscher und Menschen, die durch Naturkatastrophen sterben. Damals, in Augsburg mit 14 oder 15 habe ich angefangen, meine Kleidung Second Hand zu kaufen und bin gerne mal in den Bioladen gegangen, wenn ich Taschengeld übrig hatte. Das erste Mal auf der Straße für Klimaschutz war ich 2019 mit Fridays for Future und habe, obwohl ich mich für mein Abi vorbereiten musste an jeder Demo teilgenommen, weil ich gespürt habe, dass viele Menschen zusammen wirklich etwas verändern können.

    Es ist viel in meiner aktivistischen Biographie und gleichzeitig so wenig passiert in der Politik seitdem. Viel Zeit ist vergangen mit endlosen Infoständen, Petitionen, Organisation von Demos, Themenabenden mit Students for Future, Podiumsdiskussionen und Leseabende mit dem Klimacamp, und so weiter und sofort. Diesen Formen des klimaaktivtischen Engagement schenke ich nach wie vor viel Zeit. Heute zum Beispiel startet die Publice Climate School, eine Themenwoche mit vielen spannenden Vorträgen und Events rund um Klimaschutz- und Klimagerechtigkeit . Aber ich habe eben auch gemerkt, dass sich nach wie vor viel zu wenig tut, wie viele Steine in den Weg von Veränderung gelegt werden. Ich kann nicht still sitzen und jeden Tag das Weiter-So und die wachsende Ungerechtigkeit ihren Gang gehen lassen. Ich muss etwas tun und ich muss ein Protestmittel wählen, das nicht schon ausgeschöpft ist. Und so bin ich zur Letzten Generation gekommen.

    Die letzte Generation ist kein Zusammentreffen von unkoordinierten, impulsiven Einzelaktionen. Sie stützt sich auf sozialwissenschaftliche Studien und Erkenntnisse aus der Protestforschung und der Forschung zu sozialen Bewegungen. Es gibt zahlreiche Beispiele aus der Geschichte, die zeigen, dass Ziviler Ungehorsam, das bewusste aber friedliche Verstoßen gegen das geltende Gesetz, funktioniert. Viele wichtige Veränderungen in der Geschichte wurden nur erreicht, weil Menschen protestierten, aufgestanden sind und auf bestehendes Unrecht hingewiesen haben. Ohne ZU und das Civil Rights Movement gäbe es keine Bürger*innennrechte für PoC. Es gäbe bedeutend weniger Arbeitnehmer*innenrechte Ohne ZU dürfte ich heute nicht wählen und würde mich vermutlich noch ohnmächtiger fühlen in angesichts des politischen Versagens, als ich es eh schon tue. Wir nehmen gerade Teil an einem Gerichtsprozess gegen Menschen im friedlichen zivilen Widerstand, der stattfindet in einem Land, das selbst maßgeblich geprägt wurde durch eine Bewegung des ZU, die ein geteiltes Land wieder vereint hat.

    Die Klimakrise, die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen und tausende Tote jährlich sind anscheinend nach wie vor nicht relevant genug, um ganz selbstverständlich als einer der obersten Punkte auf der politischen Agenda unserer Bundesregierung zu stehen. Der Protest der Letzten Generation richtet sich nicht gegen die Autofahrenden direkt vor uns. Dieser Protest richtet sich gegen die Bundesregierung, die tagtäglich unsere Verfassung bricht. Es geht mir in diesem friedlichen zivilen Widerstand darum, das Weiter-So für eine kurze Zeit zu unterbrechen. Die Klimakrise in den Alltag zu tragen, indem dieser gestört wird. Immer wieder daran zu erinnern welche Menschen sich freiwillig dazu entschieden zu haben, Verantwortung in diesem Land zu übernehmen und wie weit sie davon weg sind, dies zu tun. 

    Dabei sind wir in unserem Protest immer friedlich und gewaltfrei. Wir möchten Leben retten und keine Leben gefährden. Deshalb achten wir immer auf die Bildung einer Rettungsgasse und halten Autofahrende zu deren Bildung an. Ausgehend von der Rettungsgasse ordnen sich die Menschen, die sich zum Festkleben entschlossen haben und jene, die in der Rettungsgasse sitzen, um aufstehen zu können, sobald wir Sirenen eines RTWs hören oder ein Mensch auf uns zukommt, der aus medizinischen Gründen durchmuss, an.

    Ich habe auch Zweifel. Ich hinterfrage mich und mein Tun ständig, andauernd. Ich finde nicht, dass eine Straßenblockade die perfekte Protestform ist. Es fällt mir unfassbar schwer, die Zivilbevölkerung in ihrem Alltag zu stören. Solange die Politik nicht endlich ihrer Verantwortung nachkommt, sehe ich mich in der Verantwortung, etwas zu tun. Und das macht mich teilweise unfassbar wütend. Denn es ist keine Verantwortung, die ich gerne trage. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle diese Aufgabe übernehmen müssen, solange es unsere Bundesregierung nicht tut. Und auch die Gerichte spielen hier eine entscheidende Rolle.

    In dem bereits erwähnten offenen Brief der Verfassungsrichter*innen betonen die Unterzeichnenden auch, dass insbesondere Forderungen nach einer Verschärfung straf- und polizeirechtlicher Reaktionen beunruhigend seien und in vielen Fällen verfassungsrechtlich fragwürdig, denn das Versammlungsrecht schütze auch Protestformen, die disruptiv wirken und von der Mehrheit als Störung empfunden werden. Vor allem aber lenkten diese Debatten von den dringend nötigen Auseinandersetzungen über die konkrete Umsetzung der verfassungs- und völkerrechtlichen Klimaschutzpflichten und dem möglichen Verfassungsbruch der Ampel-Koalition unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz ab.

    Deshalb ist meine Bitte an Sie heute, dies nicht zu tun. Lassen Sie uns nicht verlieren, im endlosen Verlesen von Autokennzeichen und zu welcher Minute wann genau welche Fahrbahn wieder frei war. Lassen Sie uns nicht ablenken von dem eigentlichen, vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Verfassungsbruch, um den es gehen sollte. Auch bei Ihnen liegt als Vertreter*innen der Judikative Verantwortung, sie haben die Möglichkeit ein Zeichen zu setzen und sich zu positionieren.

    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    „Wie kann ich meinen Geschwistern die Welt erklären?“ – Einlassung einer Aktivistin vor dem Amtsgericht Tiergarten.

    Ich möchte mich gerne zu all den Vorwürfen äußern und zusätzlich etwas Kontext zu meinem allgemeinen Engagement und meiner Person geben.

    Ich habe 2 jüngere Geschwister im Alter von 17 und 20 Jahren, für die ich immer diejenige war, die beschützt und den Weg weist, die pragmatisch denkt und Vorschläge macht, Risiken abwiegt und zu einer sicheren Lösung findet. Mein Abitur habe ich auf einer integrierten Gesamtschule gemacht. Dort bin ich aufgewachsen in einem Kontext, der zur Emanzipation und Beteiligung ab sehr jungem Alter (wobei die Stimmen der Jüngsten genauso viel Wert hatten, wie die der Ältesten) angeregt und motiviert hat, sowie einer Arbeitsweise, in der die Stärkeren/Schnelleren den Langsameren/Schwächeren helfen.

    Ich weiß mittlerweile, und wusste es wahrscheinlich eigentlich auch schon damals, dass unsere tatsächliche Welt, die Realität des Alltags, leider nicht nach diesen Prinzipien organisiert ist/funktioniert.Die Welt in der ich anschließend mein Studium angefangen hatte, erschloss sich mir immer klarer & deutlicher in den letzten Jahren.Diese Welt, in der ich und wir alle jeden Tag aufwachen und mit der wir uns auseinandersetzen müssen (ob wir wollen oder nicht), ist eine Welt, die den Jüngsten keine Stimme gibt innerhalb ihres vorgesehenen, indirekten, parlamentarischen Systems. Es ist eine Welt, in der die Stimmen derjenigen den Ton angeben, die noch die geringste Zeitspanne auf einer sich bedrohlich immer weiter erhitzenden Erde verbringen müssen. Es sind die Entscheidungen hauptsächlich älterer, größtenteils weißer, Männer, aufgewachsenen in einem Zeitalter, das tatsächlich noch Hoffnung in kapitalistisches Wachstum legen konnte, aufgrund verschobener Illusionen.

    Das ist eigentlich keine Welt, in der ich leben möchte. Und auch keine Welt, die ich meinen kleinen Geschwistern erklären müssen möchte. Aber das ist die Welt, in der ich heute zum ersten Mal angeklagt vor Gericht stehe. Eine Welt, in der gute Freund:innen von mir jetzt gerade für 30 Tage in Präventivhaft in München sitzen aufgrund ihrer spontanen, friedlichen Versammlungen. Eine Welt, die störende Menschen lieber wegsperrt, anstatt sich mit den Ursachen und Gründen ihres Protestes, sowie ihren Wünschen, Vorschlägen und Motivationen, auseinanderzusetzen und die Inhalte anzugehen.

    Mein Studium habe ich mittlerweile abgeschlossen. Die letzten zwei Jahre habe ich mich intensiv mit Theorien gesellschaftlicher Veränderung & der Rolle von Protest auseinandergesetzt. Meine Bachelorarbeit hat den Titel „Women in Civil Resistance: Young, Female Spokespeople in the German Movement “Letzte Generation”.

    Ich bin also nicht aus Versehen bei der Letzten Generation gelandet. Ich bin bei der Letzten Generation gelandet, da ich nicht weiter still sein kann im Angesicht der Ungerechtigkeit, die jeden Tag weiter steigt. Weil ich Mittel nutzen möchte, die in unserer Geschichte der Bundesrepublik schon mehrfach erfolgreich zu Veränderungen geführt haben. Weil alle anderen Mittel erfolglos ausgeschöpft sind. Weil ich trotzdem noch Hoffnung darauf habe, dass wir nicht allen Kippunkten mut- und tatenlos einfach beim Kippen zuschauen. Inzwischen unterstütze ich hauptsächlich andere Menschen im Angesicht von Repression, während ich ein zweites Bachelorstudium anfange.

    Bei der Letzten Generation war ich schon an mehreren Protesten beteiligt. Bei Protesten führte ich Gespräche mit Autofahrenden oder Passant:innen und mit der Presse, um die Inhalte unserer Proteste zu erklären bzw Teil des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses zu sein. Das gesamte letzte Jahr über war ich als selbstständige Schauspielerin an der Theaterproduktion „Recht auf Jugend“ von Volker Lösch am Schauspielhaus Bonn beteiligt. Ich habe aktiv am Skript mitgeschrieben. Dafür haben wir den gesamten historisch-theoretischen Hintergrund, die praktische Realität des Protestes auf der Straße, sowie unsere emotionale Innenwelt offengelegt und auf der künstlerischen Ebene unseren Protest beschrieben. Und nun beschreibe ich ihn hier auf einer juristischen Ebene.

    Das alles ist manchmal ganz schön traurig und unfassbar anstrengend. Aber dass Strafrecht für davon Betroffene keinen Spaß macht, muss ich ihnen vielleicht nicht erklären. Oder vielleicht doch, da ich nicht weiß, ob sie sich wirklich vorstellen können, wie es ist, auf der Anklagebank zu sitzen und für seine gemeinwohlorientierten Überzeugungen kriminalisiert zu werden. Mit einem Menschen in schwarzer Robe vor sich, der über die eigene Existenz entscheiden kann. Mit einem Menschen schräg gegenüber, der aus dicken Akten vorliest, lange Aktenzeichen und Autokennzeichen zitiert und argumentiert, dass man Gewalt den Autofahrenden gegenüber ausgeübt hätte, obwohl die eigenen Überzeugungen Gewaltlosigkeit ganz voran stellen. Weil man bei Grün auf den Fugänger:innenüberweg getreten ist, stehen geblieben ist, sich dann eine Warnweste übergezogen hat, Banner mit den Wünschen & Forderungen ausgerollt hat und sich hingesetzt hat und für Gespräche mit den Menschen in den Autos auf diese Art sehr direkt angeboten hat.

    Verfassungsbruch

    Im letzten Jahr habe mich auch weiter viel mit der aktuellen Politik, dem Regierungskurs und ihrer Verfassungskonformität auseinandergesetzt. Ich könnte meine Gedanken nicht besser zusammenfassen, als die über 60 Professorinnen und Professoren des Verfassungs- und Völkerrechts, unter anderem Prof. Markus Krajewksi – Professor in Erlangen sowie Vorsitzender des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Generalsekretär der Deutschen Vereinigung für Internationales Recht, die vor circa zwei Wochen einen öffentlichen Brief an die Regierung gerichtet haben (siehe unter: https://verfassungsblog.de/fur-eine-volker-und-verfassungsrechtskonforme-klimaschutzpolitik/). Ich zitiere: „Die Bundesregierung muss sich an die Verfassung halten. Und ein verbesserter Klimaschutz ist Vorgabe der Verfassung.“

    Des Weiteren betonen die Unterzeichnenden, dass insbesondere Forderungen nach einer Verschärfung straf- und polizeirechtlicher Reaktionen beunruhigend seien und in vielen Fällen verfassungsrechtlich fragwürdig, denn das Versammlungsrecht schütze auch Protestformen, die disruptiv wirken und von der Mehrheit als Störung empfunden werden. Vor allem aber lenkten diese Debatten von den dringend nötigen Auseinandersetzungen über die konkrete Umsetzung der verfassungs- und völkerrechtlichen Klimaschutzpflichten und dem möglichen Verfassungsbruch der Ampel-Koalition unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz ab. Sie schließen ihren Brief mit folgenden Worten: „Vor diesem Hintergrund fordern wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Verfassungs- und Völkerrechts die gesetzgebenden Organe des Bundes auf, das Klimaschutzgesetz nicht abzuschwächen. Wir fordern die Bundesregierung auf, ein effektives Klimaschutzprogramm mit ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele und damit der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu beschließen.“

    Der vollständige öffentliche Aufruf liegt meiner gedruckten Version der Einlassung als Anlage bei und wird anschließend zu Protokoll gegeben.

    Dieser Brief baut auf dem als Klimabeschluss bekannten Urteil vom 24. März 2021 vom Bundesverfassungsgericht auf. Dort präzisierte das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung von und die Verpflichtungen aus Art. 20a GG und stellte unmissverständlich klar:

    „Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten. Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.“

    (siehe: BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 -).

    Dieser Beschluss wurde von der Deutschen Umwelthilfe als „die wohl bedeutendste Umweltschutz-Entscheidung in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts“ gelobt. Wenn ich allerdings mit dem Abstand von zwei Jahren auf die Entscheidung und ihre (Nicht-)Folgen schaue, muss ich sagen, dass ich milde gesagt, ernüchtert bin. Das Problem, wie wir effektiven Klima- bzw. Menschenschutz umsetzen wollen, ist noch immer nicht ernsthaft von der Politik, aber auch nicht von den Verwaltungsgerichten oder selbst dem Bundesverfassungsgericht angegangen worden. Der Beschluss sah voraus, dass die Regierung bereichsspezifische Maßnahmen für einzelne Sektoren vorlegen und auch umsetzen muss – die Sofortprogramme. In seinem Zweijahresgutachten vom November 2022 wies der Expertenrat der Bundesregierung darauf hin, dass die bisherigen Emissions-Reduktionsraten komplett unzureichend sind, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – das ist übrigens bereits in sieben Jahren.

    Erst am 22.08.2023 hat der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung erneut bescheinigt, dass die Klimaschutzmaßnahmen zwar in die richtige Richtung gehen, aber bei weitem noch immer nicht ausreichen und zudem die Umsetzung nicht garantiert ist. Das bisherige Klimaschutzkonzept weise große Lücke und kein Gesamtkonzept auf. Zudem werde nicht deutlich, wie die restliche Lücke geschlossen werden solle. Die Lücke werde vermutlich auch bei vollständiger Umsetzung der geplanten Maßnahmen größer sein, als von der Regierung angegeben. Auch sonst gebe es in dem Programm „erhebliche Unschärfen und Unsicherheiten“, heißt es in der Stellungnahme. „Die erwartete Gesamtminderung wird daher vermutlich überschätzt.“ (vgl. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/expertenrat-klima-ampel-regierung-100.html)

    Statt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts konsequent umzusetzen, werden die Sektorengrenzen und -ziele aufgeweicht. Besonders der Verkehrssektor verfehlt seine Ziele in einem unbegreiflichen Ausmaß. Und niemanden störts. Das sind Momente, wo ich mich frage, was eigentlich mit uns los ist. Es werden Vorgaben von Verfassungsrang aufgestellt und tagtäglich gebrochen. Durch das verfassungsbrüchige Verhalten unserer Politiker:innen, durch die steigenden Emissionen auf der Straße, werden Menschenleben gefährdet und Existenzen vernichtet, schon heute und erst recht in der Zukunft, hier vor unserer Haustür, in ganz Europa und erst recht in den Ländern der sogenannten dritten Welt.

    Auf der Straße, dem Ort der steigenden Unvernunft – des stetigen Wachstums und Brechens der verfassungsrechtlichen Vorgaben – das ist der Ort, an dem die Letzte Generation auf genau diese Ungerechtigkeit und das Nicht-Handeln im Angesicht der eskalierenden Klimakrise hinweist. Um die Regierung an ihre eigene Verfassung, an ihr eigenes Klimaschutzgesetz und ihre Verantwortung gegenüber uns allen, insbesondere der jungen und den nachfolgenden Generationen, zu erinnern und Mitbürger:innen Handlungsalternativen und ihre eigene Wirkungsmacht aufzuzeigen.

    Adressat:innen des Protestes

    Dieser Protest richtet sich dementsprechend an alle, insbesondere all jene, die durch ihr Verhalten und ihre Entscheidungen etwas verändern können und müssen. Das sind auch alle Autofahrenden und Konsument:innen, sowie Wähler:innen und zum anderen sind es Politiker:innen und Menschen, die jetzt in diesem Moment an Hebeln sitzen und uns alle endlich in eine andere Richtung steuern können. Leider ist das Thema Klimakrise, das Thema Vernichtung unserer Lebensgrundlagen, all die tausende Tode, die Menschen jetzt schon täglich sterben, anscheinend nicht relevant genug, um einfach so, ohne eine Lobby, wenn man so will, als oberster Prio-punkt auf der Agenda der Bundesregierung, auf der Agenda der Tagesthemen und zumindest auf der Agenda lokal und persönlich von uns allen steht.

    Die Klimakrise zeigt sich zwar auch mehr & mehr in unserem Alltag hier in Deutschland – Stichwort Überschwemmungen (besonders katastrophal vor zwei Jahren im Ahrtal), Hitzewellen, Waldbrände, Extremwetterereignisse, Grundwasserknappheit, Ernteverluste -, aber dennoch bedarf es leider einer Störung unseres so gut geschützten Alltags, um uns mit dem zu konfrontieren, was wir viel zu lange ignoriert haben. Mit der Frage, was wir tun, wenn unsere Regierung es momentan nicht auf die Kette bekommt, sich ernsthaft um den Schutz von unser aller Leben, um den Schutz von gerade heranwachsenden Generationen und der Sicherung von deren zukünftigen Lebensgrundlagen und Freiheitsrechten zu kümmern.

    Es geht mir in meinem zivilen Widerstand und meinen den Alltag kurzzeitig unterbrechenden Protesten darum, die Lücken und die Fragilität innerhalb unseres sonnigen Alltags aufzuzeigen. Aufzuzeigen, dass wir nicht weiter unbegrenzt auf den Straßen ohne Tempolimit dahinbrausen können. Aufzuzeigen, dass wir nicht unendlich auf fossile Energieträger setzen können und damit wohlwissend in einen Abgrund rasen, mit jedem Gramm abgebauter Kohle und jedem Milliliter abgepumpten Öls. Aufzuzeigen, dass wir miteinander ins Gespräch kommen müssen und gleichzeitig Druck auf die Regierung aufbauen müssen. Denn das sind die Menschen, die sich bewusst für Entscheidungsverantwortung entschieden haben und einen Eid geschworen haben, unsere Verfassung einzuhalten und Leid von uns allen als Bevölkerung abzuwenden.

    Das ist der Grund, wieso Menschen sich auf Straßen setzen und für ein Tempolimit und den Ausbaustopp von fossilen Energieträgern protestieren. Genauso ist dies der Grund dafür, dass Menschen vor Profiteur:innen der Krise protestieren, darauf aufmerksam machen, informieren, und die Alltagsunterbrechung, das Aufhorchen der Menschen dafür nutzen, um Fakten und die schockierende Realität klar und unverhüllt in den öffentlichen Raum zu stellen. Das ist der Grund, wieso Regeln gebrochen werden. Die Regel sagt: Auf einer Straße darf nur gefahren werden. Die Straße gehört den Autos und den LKWs. Diese Regel wird gebrochen, wenn Menschen auf einem Fußgänger:innenüberweg stehen bleiben und sich hinsetzen. Plötzlich passieren da ganz andere, unvorhergesehene Dinge auf der Straße, eröffnet einen Stillstand, eine Schwebe, und Raum für Diskussion, Austausch, Veränderung. Ein Regelbruch ist aber nicht automatisch mit einem Gesetzesbruch gleichzusetzen.

    Ich möchte nun auf die konkreten Tage und Vorwürfe eingehen, die in mehreren gelben Briefen bei mir in der Post gelandet sind. Ich werde auf die jeweiligen Tage und Vorgänge, sowie meine Motivation und Beweggründe eingehen und hoffe, dass ich hiermit ein paar Dinge klarstellen kann. [Ausführungen zum Geschehen]

    In meinen Protesten habe ich mich mit unterschiedlichsten Einzelthemen beschäftigt, die alle eng verknüpft sind mit den letzten, wenigen Momenten, die wir alle noch haben, um ins Handeln zu kommen.

    Die Bandbreite der Protestinhalte der Letzten Generation zeigt auf, dass wir es hier nicht mit einem einfachen, direkt zu lösenden Problem zu tun haben. Keine einzelne Person kann morgen oder heute die Welt retten. Es sind kleinere und einfache Dinge, wie ein Essen-Retten-Gesetz, und größere Änderungen, wie die Wende weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien, die uns auf einen Weg bringen können, der tatsächlich die Lebensgrundlagen jetziger und zukünftiger Generation noch schützen kann.

    „Es ist Sommer und ich esse eine Pflaume am Wegesrand“ – Einlassung eines Dresdener Aktivisten.

    Es ist Sommer. Ich stehe während einer Radtour am Straßenrand und esse Pflaumen vom Wegesrand. Es ist ein schöner, gemäßigter Sommertag und ich denke mir, man, geht es uns gut hier auf diesem Paradies Erde. Wir haben fantastische natürliche Bedingungen und mit ein bisschen Initialaufwand beliefert uns die Natur mit allem, was wir zum Leben brauchen. Unser Essen wächst auf dem Feld, unser Wasser fällt vom Himmel … wir können auf jede Menge Ökosystemdienstleistungen quasi kostenlos zurückgreifen. Man könnte fast meinen, diese Erde ist wie für uns Menschen geschaffen. Aber so richtig glücklich bin ich trotzdem nicht. Ich mache mir Sorgen, denn genau dieses Paradies ist in Gefahr.

    Heute muss ich mich vor Gericht verantworten, da ich mich an einem friedlichen Protest hier in Dresden beteiligt habe. Dazu würde ich gerne etwas sagen. Zuerst möchte ich auch den Hintergrund und die Beweggründe meines Engagements eingehen. Anschließend werde ich zu der konkreten Situation vor Ort etwas sagen. Ich lade Sie, verehrtes Gericht, sowie Sie, sehr geehrte Staatsanwaltschaft, und alle weiteren Anwesenden ein, sich auf meine Worte einzulassen, denn ich denke nicht, dass diese schwer nachzuvollziehen sind.

    Ich habe die Geburten-Lotterie gewonnen, wohne in einem der wohlhabendsten Länder der Welt, bin 28 Jahre jung, gut ausgebildet und die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt sind fantastisch. Und ich lebe in einer offenen Gesellschaft, Meinungs- und Reisefreiheit, Rechtsstaat, Demokratie, kostenlose Bildung und so weiter, kurz es geht mir verdammt gut!

    Eigentlich muss ich mir keine Sorgen um die Zukunft machen. Wir haben es als Menschheit weit gebracht. Durch technischen Fortschritt und gesellschaftliche Errungenschaften unserer Vorfahren geht es uns Menschen auf dieser schönen Erde so gut wie noch nie.

    Und ich mache mir trotzdem oder gerade deshalb extreme Sorgen um unsere Zukunft. Der Grund ist, Sie können es sich wahrscheinlich denken – die Klimakatastrophe.

    Die Freude an der Natur habe ich, denke ich, von meiner Oma und ihrer Mutter, meiner Uroma, mitbekommen. Für sie war auch in schweren Kriegs- und Nachkriegszeiten sicher, an der Natur können sie sich, sind die wirtschaftlichen und gesellschaftliche Bedingungen noch so schlecht, immer erfreuen. Aber genau dieses Vertrauen kann meine Generation nicht mehr haben.

    Die Auswirkungen unseres Wirtschaftens setzen unseren Planeten und damit unsere Lebensgrundlage überall extrem unter Druck. Und gefährdet damit unseren oben beschrieben zivilisatorischen Wohlstand.

    Durch die Klimakrise verursachte Dürren, führen schon heute zu Hungersnöten. Uns hier in reichen Norden, der diese Katastrophe zum aller größten Teil verursacht hat, trifft es noch vergleichsweise harmlos. Aber auch hier, spüren Leute gestiegene Gemüsepreise durch Wasserknappheit in Spanien, hohe Strompreise weile in Frankreich die Flüsse so wenig Wasser führen, dass die Atomkraftwerke abgeschaltet werden müssen. In Südfrankreich gab es die ersten gewaltsamen Konflikte um Wasser. Steigende Preise und die Flüchtlingskrise führen jetzt schon zu großer Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft und damit zu einem Rechtsruck, der sogar unsere Demokratie gefährdet.

    Laut Klimaforschern steuern wir auf eine bis zu 3 Grad heißere Welt zu. In einer solchen Welt können 1/3 der Menschen nicht mehr dort leben, wo sie heute leben. Die Folge sind unvorstellbare Fluchtbewegungen und Verteilungskämpfe.

    Was denken Sie was dann mit unserer offenen und freien Gesellschaft, Menschenrechten, unserer Demokratie, unserem Rechtsstaat passiert, wenn schon die aktuellen Krisen das alles so herausfordern?

    Ronald Gerste beschreibt in seinem Buch: „Wie das Wetter Geschichte macht.“ mit vielen Beispielen unterlegt, wie stark die Entwicklung von Zivilisationen vom aktuellen Wetter und klimatischen Bedingungen abhängt. Auf ungünstige Wetterverhältnisse oder klimatische Veränderungen, folgte meistens Hungersnot, Pandemie und am Ende Krieg.

    2 Tage vor der Protestaktion, wegen der ich mich jetzt hier vor Gericht verantworten muss, veröffentlicht der Weltklimarat seinen 6. Sachstandsbericht. Darin heißt es wörtlich:

    „Das Tempo und der Umfang der bisherigen Maßnahmen sowie die aktuellen Pläne sind unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen.“ … weiter: „tiefgreifende, rasche & nachhaltige Verringerungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren“ sind erforderlich.“

    Antonio Gutterres, der General Sekretär der UN, sagt dazu: „Die Klimazeitbombe tickt!“

    Kurz, wir rasen auf eine unaufhaltsame Katastrophe zu und unsere Regierung hält sich nicht an den Paragraphen 20A unseres Grundgesetzes. Unsere Lebensgrundlagen werden mit den aktuellen strukturellen Rahmenbedingungen nicht ausreichend geschützt.

    Genau deswegen trug ich letztes Jahr meinen Protest gegen diese fahrlässige Handlung der Regierung unignorierbar und friedlich auf die Straße.

    Doch wie kam es dazu?

    Die Klimakrise beschäftigt mich schon lange. FridaysForFuture brachte das Thema mit ihren Schulstreiks und dem damit verbunden Aufschrei in die breite Öffentlichkeit. Sie mobilisierten 2019 mit ihren Demos deutlich über 1 Millionen Menschen in Deutschland. Ich ging begeistert zu den Demos.

    Das Bundesverfassungsgericht verurteilt die Klimapolitik 2021 als verfassungswidrig.

    Im gleichen Jahr ist Bundestagswahl, Klima – im Wahlkampf überall. Keine demokratische Partei kommt drumherum sich demonstrativ hinter das 1,5 Grad-Ziel aus Paris zu stellen und Werbung für ihr Klimaschutzprogramm zumachen. Gewonnen hat der Klimakanzler.

    Klimaschutz ist also in der breiten Masse angekommen, Mehrheiten dafür sind demokratisch sichtbar vorhanden.

    Ich denke mir, sehr gut, es geht vorwärts.

    Ich habe trotzdem das Gefühl, es geht zu langsam. Aber ich denke mir, naja, es ist ein extrem komplexer gesellschaftlicher Wandel, das braucht Zeit…

    Dann immer deutlichere Nachrichten und Warnungen zu den Klima-Kipppunkten. Es reicht nicht, wenn wir irgendwann Klimaneutral werden, wenn wir bestimmte Kipppunkte überschritten haben, verselbstständigt sich das System, wir sind machtlos.

    Was macht es mit mir? Unsicherheit, Angst – was passiert mit der schönen Welt, die ich so liebe, wenn wir es nicht schaffen? Wie viel Leid wir das Ganze verursachen?

    Zusätzlich tauchen weitere Krisen auf und Überschatten die Klimaproblematik, das Thema verliert an politischer Relevanz, und das alles obwohl die Folgen und die damit verbunden Kosten immer sichtbarer werden.

    Noch dazu verliert der Hoffnungsschimmer FridaysForFuture an Kraft. Auf den Demos treffe ich immer weniger Menschen. Die Krisen führen dazu, dass Menschen andere Problem haben als sich ums Klima zu kümmern. Ich (bin) machtlos …

    Die üblichen geordneten Wege der Demokratie haben, nicht gereicht. Ich habe klassisch demonstriert, ich habe Briefe an Politiker geschickt und Petitionen unterschieben.

    Mein eigenes Leben umstellen: auf Fliegen verzichten, Fleischkonsum und Ressourcenverbrauch reduzieren, ist schon lange passiert.

    Aber die Wirkung ist sehr beschränkt. Durch individuellen Verzicht ist die Welt nicht zu retten. Die Klimakatastrophe können wir nur als Gesellschaft lösen. Doch der gesellschaftliche Wandel geht zu langsam, die Politik versagt.

    Mein eigener Werdegang zeigt, sehr gut, dass die von der Politik gemachten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht zur Katastrophe passen. Ich habe Maschinenbau und Automatisierungstechnik und Robotik studiert. Nach dem Studium habe ich mir fröhlich und unbeschwert einen Job gesucht, und welch Wunder es trieb mich in die Automobilindustrie. Lohngefälle und Technik zeigen in eine eindeutige Richtung: es wird in unserer Gesellschaft als wichtiger betrachtet Autos mit Leuchtelementen zu verzieren, als sich um unsere Lebensgrundlagen zu kümmern. Der gut bezahlte und technisch spannende Job ist inzwischen gekündigt, aber der Prozess hat gezeigt wie viel Kraft es braucht die Sicherheit aufzugeben, den gesellschaftlich logischen Weg zu verlassen, „nur“ weil mir unsere Lebensgrundlagen wichtig sind.

    Und solange es jedes Mal eine bewusste und gefühlt mit eigener Einschränkung verbundene Einzelentscheidung benötigt, nicht unsere Lebensgrundlagen zu gefährden, wird die Masse, die wir brauchen, nicht mitmachen.

    Solange die Rahmenbedingungen nicht stimmen, werden wir es als Gesellschaft nicht schaffen so zu leben, dass wir die Klimakatastrophe in den Griff bekommen und unsere Lebensgrundlagen zu bewahren.

    Aber wie ändert man diese strukturellen Rahmenbedingungen?

    Selbst in die Politik gehen? Bis ich da was reiße ist zu viel CO2 in die Atmosphäre gewandert, Kipppunkte überschritten.

    Und meine persönliche Eignung für Politik – unpassend.

    Dann kommt die Letzte Generation um die Ecke. Kluge Leute haben in die Geschichte geschaut, und die Wissenschaft gefragt, wie gesellschaftlicher Wandel funktioniert. Ziviler Widerstand kann gesellschaftlichen Wandel beschleunigen.

    Für mich: Hoffnung – hier kann ich was bewegen.

    Gegenwind auf der Straße kann ich ertragen. Ich lebe im Gegenteil zum größten Teil der Weltbevölkerung in einem funktionierenden Rechtsstaat, in dem ich keine Angst haben muss, dass ich oder meine Familie dafür verschleppt oder umgebracht werden.

    Ist es nicht sogar meine demokratische Pflicht meine Privilegien zu nutzen und mich dem zerstörerischen Kurs zu widersetzten?

    Und so sind wir wieder am Tag der Straßenblockade:

    6 Leute sitzen friedlich auf der Straße. Machen auf die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufmerksam, protestieren gegen den aktuellen Kurs der Regierung.

    Aufmerksamkeit ist da. Es wimmelt von Presse, es stehen viele Passanten ringsherum.

    Groß ist auch der Aufschrei. Wir Protestierende werden angefeindet, Passanten versuchen mehrfach mich grob von der Straße zu zerren. Es ist alles andere als angenehm.

    Aber es löst auch Diskussionen über das Thema aus. Unter Passanten. Zwischen uns Protestierenden und Autofahrern. Eine Autofahrerin kommt wütend auf uns zu und schreit uns an: ob wir nichts Besseres zu tun haben und was wir denn arbeiten würden, – sie ist Unternehmerin. Ein Protestierender sagt, er ist Altenpfleger und hat heute frei. Sie schluckt und wird still. Es folgt eine sachliche Diskussion über die Klimakatastrophe und die Protestform. Am Ende ist sie natürlich nicht begeistert von dem was wir machen, aber geht sichtlich nachdenklich davon.

    Und genau so funktioniert ziviler Widerstand. Er polarisiert, er rüttelt wach, er bringt das Problem unignorierbar auf die Tagesortung. Er ist zwar unangenehm, genau wie die Probleme, um die es bei ihm geht. Es ist werde intuitiv noch direkt sichtbar, aber er ist wirksam.

    Ja, bei dieser Form des Protestes werden Regeln gebrochen. Auf einer Straße fahren normalerweise Autos. Dort fließt der Verkehr und nichts hat ihn zu stören. Wir sind bei grün auf die Straße gegangen, haben uns hingesetzt und uns den Autofahrenden zum Gespräch angeboten. Wir haben Diskurs auf der Straße begonnen – dort wo er so dringend nötig ist. Mehr nicht.

    Ein Regelbruch ist aber nicht gleichzusetzen mit einem Gesetzesbruch.

    Und Samira Akarian, kommt in ihrer von der Körber Stiftung ausgezeichneten Doktorarbeit, zu dem Schluss, dass er einen positiven Effekt auf die Demokratie hat.

    Es wurden Demokratien damit erkämpft und verteidigt. Und jetzt geht es um unsere Lebensgrundlage, von der auch unsere Demokratie und unser Rechtsstaat abhängen! Und wir haben keine Zeit!

     

    „Ich bin kein typischer Aktivist“ – Einlassung eines Freiburger Vater und Aktivist.

    Jetzt zu Beginn: Rahmen setzen und meine Motivation erklären. Denn: Ich bin kein „typischer Aktivist“, habe einen Angestellten-Job, 2 Töchter und Frau, hatte bis dato noch nie mit Polizei zu tun. Wie komme ich dazu, mich an zivilem Ungehorsam zu beteiligen? Das möchte ich kurz schildern.

    Seit Jahrzehnten wissen wir über den Klimawandel Bescheid, seit Jahrzehnten finden die jedes Jahr die Klimakonferenzen statt („COPs“) – und seither steigen die weltweiten Emissionen weiter an.

    • 2015: „Paris Agreement“, als großer Erfolg gefeiert. Warum? 1,5°-Ziel. Warum 1,5°? Nicht beliebig! Weil damit die Kipppunkte wahrscheinlich verhindert werden können; danach nicht mehr sicher! Dann kippen Antarktis, Amazonas etc. wie Dominosteine, „hothouse earth“, Erde so heiß wie seit 30 Mio Jahren nicht! Dann krasse Ressourcenknappheit, Konflikte, Massensterben.
    • Wo stehen wir heute? 2023: 1,48° (Copernicus, EU). 2024: Vielleicht über 1,5°. Es ist schon kurz nach Zwölf. Wir haben keine Zeit mehr. – Das ist die Situation, in der wir uns befinden.

    Zu mir (Essenz: Ich bring mich seit langem auf vielen Ebenen ein bzgl. Klima.)

    • 2000 1 Jahr als Freiwilliger bei einer NGO in Bangladesch: Erlebt, was Not und menschl. Leid bedeutet. Wenn du nachts vor Hitze nicht einschlafen kannst: Das ist beängstigend! Kontrollverlust. Das ist heute schon das Leben von Menschen. Und es wird täglich schlimmer. UND: Gefühle von Verantwortung: Uns geht es nur deshalb so gut, weil es andern schlecht geht. WIR haben eine Verantwortung!
    • Begegnung mit Frau dort in Bangladesch, deren größter Traum vom Haus aus Ziegelsteinen, erkannt: „Es liegt in unserer Hand (d. Menschen im Westen), ob diese Frau eine Zukunft hat (und die meisten anderen Menschen in Bangladesch).“
    • Nach Rückkehr Ingenieur studiert, um Solarenergie voranzubringen: „Das wird den Klimawandel schon lösen.“ – Seit 15 Jahren: Solarenergie-Beratung, in Ländern wir Bangladesch und Pakistan; „wir müssen das doch hinkriegen!“
    • Auch privat: Fahren (zum Leidwesen meiner Kinder!) mit Bus & Bahn zu Schwiegereltern nach Spanien; vegetarisch; eigener Garten, 2nd-Hand Kleidung. Sollte für den Wandel reichen. Tut es aber nicht.

    Thema Krise lösen: Persönliche Ansätze und Notlage

    • Frage ist also: Solarenergie alleine reicht nicht. Privater Wandel reicht nicht. – „Was ist zu tun?! Was soll ich tun?!“
    • Mein Kontakt mit anderen Experten im Bereich Energie und Klima, lese Studien, Interviews: Auch die Wissenschaftler sind mehr und mehr verzweifelt, weil die Wissenschaft immer mehr Klarheit gewinnt, aber die Politik nicht umsetzt!
    • Warum kümmert sich die Regierung nicht?! – Habe ich immer als Basis, Rückendeckung gesehen im Job – jetzt Erkenntnis: Ist sie nicht! Sie torpediert das, was ich versuche zu erreichen! Einsicht Politik: „Die sind auch überfordert!“ …verkürzte Debatten vs. komplexe Welt, hängen von Lobby ab, von Wahlzyklen, Parteipolitik, sind auch Menschen und verdrängen …
    • Gesellschaft: eigtl wollen wir doch alle eine Zukunft! – Aber die Menschen verstecken sich vor der Krise, verdrängen sie, denken, sie können nichts ändern
    • Daher: Es braucht einen umfassenden Neuanfang! Und dafür braucht es erstmal Anstoß, mehr Bewusstheit und gesellschaftlichen Druck, damit die Politik und wir als Gesellschaft handeln.
    • „Ich muss jetzt mehr tun, für diesen Wandel einstehen.“ – Welches Mittel? Petitionen, Demos, Lobbyarbeit: – Alles zu langsam!
    • Aber: Ziviler Ungehorsam als historisch erfolgreich – Bürgerrechtsbewegung, Gandhi. Menschen wie Gandhi, King, Mandela: Viel riskiert, geltende Regeln gebrochen – aber letztlich das Ziel erreicht. Besondere Krisen brauchen besondere Mittel.
    • Alarm ist nötig: Damit Frauen wählen dürfen, zerschnitten die Suffragetten Gemälde. Damit Schwarze wählen dürfen, füllten die Bürgerrechtler die Gefängnisse und blockierten Straßen, Busse, Geschäfte. Unsere heutigen Demokratien und Rechtsstaatlichkeit wurden auch auf den Straßen mühsam erkämpft. Ziviler Ungehorsam kann also funktionieren.
    • Legitimität und Legalität in der Demokratie: Celikates. Recht ist nichts Sstarres, fertiges, ist kontinuierliche Entwicklung! Wir haben z.B. noch keine effektive Verankerung der Rechte der zukünftigen Generationen! – Daher auch bisherige Urteilssprechung LG: Alles von Freispruch bis Gefängnis! – Es ist ein Aushandlungsprozess unserer Gesellschaft, in dem wir uns befinden! – z.B. Strafrechtsprof & Richter am OLG FFM Matthias Jahn sieht harte Urteile kritisch: „Urteile, bei denen bspw. §240 StGB nicht im Lichte der Versammlungsfreiheit ausgelegt worden seien, widersprächen der ständigen Rechtsprechung des BVG“.
    • Demokratie ist dabei wichtiges Gut! Mir persönlich super-wichtig! Ziel der Letzten Generation ist funktionsfähige Demokratie! – Ich sehe den großen Wert von Demokratie und Rechtsstaat und will sie schützen, will, dass sie handlungsfähig bleiben und nicht im Klima-Chaos versinken!
    • Bauernproteste: Zeigt politische Absurdität: Bauernproteste werden genehmigt, von CDU und AfD umarmt – dabei geht es um Parktikularinteressen! LG wird verurteilt, beschimpft, bekämpft – und wir kämpfen um unser aller Zukunft! – Bamberg: Gleicher Ort bei Blockade LG: Schnellverfahren mit Haft! Landwirt:innen: Von Politik gelobt! – „Bauern waren genehmigt.“ – Aber warum?! Zeigt, dass jetzige Politik dem Problem Klimakrise nicht gewachsen ist.

    All das habe ich reflektiert und deswegen zu dem Schluss gekommen: Ja, dieser Weg kann funktionieren. So habe ich in Freiburg Ende 2022 2x auf der Straße protestiert.

    • Zur Wirksamkeit der Proteste: Alarm ist nötig.Aber Straßenproteste sind nicht alles.Letzte Generation hat umfassende Strategie: Straßenblockade nur ein Teil; viel erreicht die letzten 2 Jahre; Sprechen auf Kirchentag, mit Politiker:innen, in Unternehmen; gesellschaftliche Debatte! Meine Rolle: v.a. Sprecher, Interviews, Podien, Rede beim Future Mobility Summit 2023 Berlin: Beifall, Gespräche, „Danke!“ der Zuhörer:innen
    • Für mich persönlich sind folgende Punkte essenziell wichtig bei den Protesten. Hätte es nicht gemacht, wenn diese Grenzennicht eingehalten werden. Regeln sind für mich wichtig und ich habe sie nur in diesem ganz bestimmten Kontext und mit diesem existenziellen Ziel übertreten.
      • Gewaltfrei in Tat+WortEinstehen mit meinem NamenRespektvoller Umgang mit Polizist:innen + Autofahrer:innen – es geht um die Autofahrer:innen; Vorleben einer aktiven & beteiligten Demokratie; Individualverkehr ist eines der wichtigsten Dinge, die sich ändern müssen!
      • Rettungsgasse etc.: Wir wollen stören und Aufmerksamkeit generieren, aber keinen echten Schaden anrichten – Mann mit Katheder durchgelassen! – Meine Rolle: Rettungsgasse, nicht geklebt, der erste der geräumt wurde.

    Ohne diese Punkte wäre ich nicht dabei!

    Zusammenfassung: Was mir wichtig ist.

    • Protestform sehr bewusst gestaltet: Gewaltfrei, bedacht, sodass kein Schaden entsteht
    • Ergänzt durch andere Tätigkeiten, Bewusstseinsschaffung, Kommunikation – 2023 war ichnicht mehr auf der Straße, sondern eben Vorträge, Interviews etc.
    • Besondere Lage berücksichtigen, in der wir uns befinden: Wir sind dabei, unsere Zivilisation zu beenden. Was ist unsere Verantwortung?
    • Geltendes Recht/Regeln sind immer ein Prozess; Legitimität vs. Legalität: Mangelnder Klimaschutz der jetzigen Regierung wird in 20, 30 Jahren als fataler Fehler gesehen werden! Und wird es auch jetzt schon.

    Oft sind mutige Schritte nötig, um eine Weiterentwicklung unseres gesellschaftlichen Handelns zu ermöglichen – auf der Straße und in den Gerichtssälen. – SIE können heute ein Teil davon sein, indem Sie diesem Recht der zukünftigen Generationen einen hohen Stellenwert einräumen und uns freisprechen.


    „Ich begreife mich als Teil dieser Gesellschaft“ – Letzte Worte einer Aktivistin.

    Wir haben hier heute viel gehört, wir haben uns einen ganzen Vormittag lang zusammengefunden, haben uns mit der Klimakrise, aber vor allem sehr lange mit dem Hergang zweier Straßenblockaden beschäftigt.

    Deswegen will ich noch einmal kurz den Bogen zurückspannen zum Anfang, dahin, worum es eigentlich gehen sollte.

    Greenpeace schätzt, dass täglich ungefähr 130 bis 150 bedrohte Arten aussterben. 2022, in einem der heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, verzeichnet Europa 60 000 hitzebezogene Todesfälle. 2022 hungern weltweit 735 Millionen Menschen. Alle dreizehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger.

    (https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/artenkrise/artensterben, https://www.welthungerhilfe.de/hunger,

    https://www.tagesschau.de/wissen/hitzebezogene-tote-europa-100.html)

    Ich begreife mich als Teil dieser Gesellschaft, als Teil dieser Demokratie. Und das bedeutet für mich eindeutig, dass ich etwas gegen bestehende Ungerechtigkeit und Leid tun muss. Dass ich mich angesprochen fühle, weil ich meine Zukunft mitgestalten möchte, die Zukunft meiner Mitmenschen und die zukünftiger Generationen. Ich gehöre zur letzten Generation, die im Angesicht sich schließender Zeitfenster, rapide schwindender C02-Budgets und bedrohlich wackelnder Kipppunkte noch die Möglichkeit hat, sich dem in einem relevanten Zeitraum entgegenzustellen. Ich fühle mich moralisch dazu verpflichtet, nicht einfach zuzuschauen und mein Leben weiterleben.

    Wir alle spielen eine Rolle im entfalten sozial-ökologischer Transformation, insbesondere solange unsere Bundesregierung tagtäglich die Verfassung bricht mit ihrem Nicht-Handeln. Auch Sie, Frau Richterin Bucher, haben eine Verantwortung als Teil der Judikative. Sie haben heute die Möglichkeit, sich einem der bereits erwähnten Freisprüche anzuschließen und ein Zeichen zu setzen.

    Luisa Neubauer schreibt in ihrem Buch „Gegen die Ohnmacht“, „Ohnmacht zu fühlen ist ein Privileg“. Damit meint sie, dass Menschen, die in direkter, akuter Weise mit der Klimakrise konfrontiert sind, weil zum Beispiel ihr Haus weggeschwemmt wurde oder die Hitze so unerträglich wird, dass der Alltag nicht mehr wie gewohnt gemeistert werden kann, es sich nicht leisten zu können, sich zu entscheiden, ob sie etwas gegen ihre Situation unternehmen wollen oder nicht. Sie sind gezwungen zu handeln. Wir in Deutschland sollten uns bewusst werden, dass wir dabei sind von diesem Ohnmachts-Privileg Gebrauch zu machen. Dass andere Menschen, insbesondere MAPA, also most affected people and areas, dieses Privileg nicht haben. Wir haben viel öfters noch die Möglichkeit, entscheiden zu können, ob wir uns mit den Folgen der Klimakrise auseinandersetzen wollen oder nicht, hinschauen oder wegschauen wollen. Aber auch für uns wird diese Möglichkeit rapide kleiner werden, früher oder später müssen wir Verantwortung übernehmen. Und ich finde – lasst es uns alle lieber früher tun.

    Einlassung zur Aktion anlässlich EACOP und PreCOP 28

    TotalEnergies and CNOOC are sensing big money in Uganda. The companies want to produce oil in the country and pump it all the way through savannahs, swamps and tropical forests to the Tanzanian coast. To make space for the wells and the pipeline, TotalEnergies and CNOOC are forcing more than 100,000 people off their lands. At the same time, the oil giants are destroying the homes of elephants, lions, leopards, and giraffes. [Quelle: https://gogel.org/tilenga-kingfisher-eacop]

    Unser Protest am 15. Juni 2023 galt dem Vorhaben der Ölkonzerne TotalEnergies, Frankreich, und CNOOC, China, sowie der Ölgesellschaften Ugandas und Tansanias, Ölfelder in Uganda zu erschließen, in dem sie eine über 1.400 km lange Pipeline durch Naturreservate verlegen wollen. Während der Vorkonferenz zur Klimakonferenz im Dezember 2023 in Dubai versuchten Indigene und NGOs das Vorhaben zu kippen. Wohl erfolglos angesichts der starken Präsenz der fossilen Lobby bei der Vorkonferenz in Bonn, wie auch später während der COP 28 in Dubai. Ein paar Tage zuvor hat auch Greta Thunberg in Bonn zusammen mit Betroffenen zu dem Thema demonstriert.

    In den letzten Jahren habe ich mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, was unseren scheinbar unabwendbaren Kurs in die Katastrophe auf Grund der Erderhitzung noch stoppen könnte.
    Was können wir als einfache Bürger*innen daran ändern?
    Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir sehr wohl noch etwas verändern können, wenn wir uns alle gegenseitig wachrütteln und Alarm schlagen. Das hat mich auf die Proteste der Letzten Generation aufmerksam gemacht und ich möchte im folgenden anhand der Beobachtung zweier Phänomäne darlegen, warum ich überzeugt bin, dass die Proteste der Letzten Generation zielgerichtet und wirksam sind und uns zusammen mit anderen Maßnahmen vielleicht noch retten können.
    1.) Bei der ersten Beobachtung geht es um den sogenannten Zuschauereffekt, der 1968 von den US-amerikanischen Sozialpsychologen Latane und Darley in einem Experiment genauer untersucht wurde. Es handelt sich um das Phänomen, dass Menschen allgemein dazu neigen, in Notfällen untätig zuzuschauen, wenn auch andere Menschen den Notfall wahrnehmen aber nicht entsprechend reagieren. Nur 10 % der Versuchspersonen standen auf und unternahmen etwas, während 90 % ruhig sitzen blieben.
    Übertragen auf die Situation, in der wir heute leben, könnte man sagen: Wir befinden uns in höchster Gefahr, bildlich gesprochen brennt unser Haus. Dringendes Handeln ist geboten. Doch es bleibt aus.
    Was fehlt uns, dass wir den Ernst der Lage nicht erkennen und nicht entsprechend handeln?
    2.) „There is no Glory in Prevention“, diesen Ausspruch habe ich vor einiger Zeit in einer Fernsehdokumentation über Pandemiebekämpfung gehört und das ist die zweite Beobachtung, über die ich sprechen möchte. Ein Pandemieforscher sagte in der Sendung, dass es für das Phänomen, dass Vorsorgemaßnahmen so unpopulär seien einen stehenden Begriff gebe. Übersetzt heißt er etwa: „Es liegt kein Ruhm in der Prävention“.

    Dies könnte erklären, warum Klimaschutzmaßnahmen in der Politik nicht so populär sind. Sie bedeuteten einen großen Aufwand, erfordern viel Erklärungs- und Überzeugungsarbeit und können leicht Widerstände in der Bevölkerung hervorrufen, wie es beim Heizungsenergiegesetz oder dem Stopp der Subventionen für Agrar-Diesel der Fall war.
    Der Erfolg von Vorsorgemaßnahmen lässt sich auch schwieriger beziffern, liegt doch deren Erfolg gerade darin, Veränderungen zum Schlechten zu verhindern. Wohingegen bereits eintretende Katastrophen sehr gut für die Popularität von Politikern ausgenutzt werden können und schon dem einen oder der anderen Politikerin eine Wahl geschenkt hat. Ein Spaziergang in Gummistiefeln durch das zerstörte Ahrtal, der bestimmt in bester Absicht und Anteilnahme geschah, bringt eben auch Sympathiepunkte. Dass die selben Politikerinnen sich der Klimavorsorge verweigern und schon immer verweigert haben, steht auf einem anderen Blatt und wird nicht thematisiert.
    Wie können wir aus dem Zuschauereffekt herauskommen? Wie kann Vorsorge populär gemacht werden?
    Wenn wir laut und eindringlich Alarm schlagen, wird klar, dass die Lage ernst ist und handeln geboten ist. Wenn wir das Thema und seine Dringlichkeit hochhalten und es zu einem echten Tagesgespräch wird, dann können wir die Politik darin stärken, Vorsorgemaßnahmen zu beschließen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern, weil es ja auf ihren Wunsch hin geschieht.
    Meiner Meinung nach war unser Protest in der Hinsicht wirksam und zielgerichtet und keinesfalls verwerflich.
    Nach meinem Rechtsempfinden haben wir unsere Bürgerpflicht getan.

    „Es braucht alle!“ – Schlussworte eines Bonner Aktivisten

    Es wird oft angeführt, dass es ja genügend andere Mittel gebe, sich für mehr Klimaschutz einzusetzen.
    Das stimmt. UND es braucht den Protest und zivilen Widerstand!
    Ich selbst habe schon zig Petitionen unterzeichnet, war auf zig Demonstrationen, ich engagiere mich
    ehrenamtlich in der Klimaschutzgruppe Königswinter, die in meiner Heimatstadt Klimaschutzmaßnahmen umsetzt.
    Das alles ist wichtig und notwendig und es gibt alle Hände voll zu tun!
    Leider wird das alles nicht ausreichen, den Klimakollaps zu verhindern. Es wird nicht ausreichen, wenn wir es nicht schaffen, die Politik dazu zu bringen, die wirklich großen Hebel zu bewegen, den Gas- und Öl-Hahn zuzudrehen, das Kohleband zu stoppen und umzuschalten auf erneuerbare Energien, unser Wirtschaften umzugestalten zu einem Leben mit der Natur, statt für den Profit auf Kosten der Natur. Ich möchte alle Anwesenden dazu ermutigen, für sich selbst zu schauen, wo Sie selbst Möglichkeiten sehen, ihre Stimme zu erheben und Einfluss zu nehmen und unserem Wunsch nach einer lebenswerten Zukunft für uns und die folgenden Generationen, für Mensch und Tier, Nachdruck zu verleihen.
    Unsere Reichweite kann groß sein. Zum Beispiel im Beruf oder im privaten Umfeld. Jede Stimme wird
    gehört und kann einige Menschen erreichen. Jeder Mensch kann Teil des großen Alarms sein und mithelfen, andere Menschen aufzuwecken. Am ersten Verhandlungstag wurde ich von Zuschauenden darauf aufmerksam gemacht, dass es neben den psychologischen Hürden, auf die ich in meiner Einlassung eingegangen bin, ein weiteres, handfesteres, Problem mit dem Klimaschutz gibt. Allen Klimaschutzbewegungen, nicht nur der Letzten Generation, schlägt ein massiver Gegenwind aus den Zeitungen, namentlich der Springe-Presse, entgegen. Als Anschaungsbeispiel habe ich eine Ausgabe der B.Z. mitgebracht, die ich einmal in Berlin gekauft habe, ohne zu wissen, um welche Art von Zeitung es sich handelt. In dem Bericht wird von den protestierenden Menschen durchgehend als „Klima-Radikalen“, „Klima-Schmierern“ und „Klima-Sekte“ gesprochen.
    Der Haupteigner des Springer-Verlags ist ein Unternehmen der fossilen Wirtschaft. Neben der Letzten Generation sind auch Vorhaben, wie das Heizungsenergiegesetz auf der Abschussliste der Zeitungen der Springer-Presse. Dementsprechend groß sind die Ressentiments aus der Bevölkerung gegenüber diesen Themen. Unsere Anschauungen können manipuliert werden und sehr schnell entsteht ein Bild von einem Gespenst, dass uns schaden möchte. So werden Klimaschutzbewegungen diskreditiert und in eine zwielichtige Ecke gedrängt. Leider greifen einige dieses künstlich geschaffene Image und treiben es noch weiter, indem sie in dieselben Hörner der Hetz-Presse blasen, friedliche Taten bis zum Terrorismus kriminalisieren.
    Die Realität ist aber, dass diese Menschen des Protests ein Querschnitt der Gesellschaft sind, aus allen
    Bevölkerungsschichten kommen, größtenteils vollkommen friedlich sind und sich nur um unsere Zukunft
    sorgen. Ich glaube, dass Sie, Frau Staatsanwältin, und Sie, Herr Richter, dies nach den Aussagen der Angeklagten und der befragten Zeug*innen bestätigen können. Nun haben Sie die schwierige Aufgabe, wie sie in dem Fall entscheiden. Auf der einen Seite muss der Straftatsbestand gewürdigt werden, auf der anderen Seite sollte das Urteil auch gerecht sein und als gerecht empfunden werden können.
    Dagegen steht die vermeintliche Ungerechtigkeit unserer Regierung, die das Gesetz bricht, indem sie uns wirksamen Klimaschutz vorenthält und dann so lange am Klimaschutzgesetz herumschraubt, bis es zu ihren Vorstellungen passt.

    Wir alle, die hier angeklagt sind, haben für den Protest am 15. Juni letzten Jahres viel auf uns genommen.
    Wir sind teilweise aus anderen Städten angereist, vielleicht Urlaub oder Freizeit geopfert. Jeder hat sich seiner/ihrer Angst gestellt, hat sich auf den Boden vor Fahrzeuge gesetzt und sich, teilweise angeklebt, er Willkür anderer Menschen ausgesetzt, friedlich und ohne Gegenwehr. Wir stehen mit unserem Gesicht und unserem Namen zu unserer Tat. Wir wollten weder fliehen, noch uns einer gerechten Strafe entziehen. Ich habe im vergangenen Jahr mehr als 100 Menschen der Letzten Generation persönlich kennengelernt. Ob es der 15-jährige Schüler ist oder die fast 80-jährige Rentnerin (mit denen ich auf der Straße saß), keiner von ihnen geht es um eine Ideologie oder um eine Meinung. Auch nicht um Ruhm, den gibt es dafür leider nicht, genausowenig um Geld. Sie sind sich bewusst, dass ihre Schulbildung oder die berufliche Karriere auf dem Spiel steht, dass sie vielleicht vorbestraft werden. Wenn ich ihre Motivation in einem Wort zusammenfassen wollte, würde ich es Nächstenliebe nennen.
    Dieselben Menschen haben sich um Obdachlose auf der Straße gekümmert, als sie in Berlin im Protest waren oder sie haben sich um einander gekümmert, wenn der psychische Druck zu groß wurde. Ich habe Hochachtung vor diesen Menschen. Auch weil sie so mutig sind aber vor allem, weil sie so lieb sind. Ich habe den Protest nicht gemacht, um im Nachhinein mit einer möglichst kleinen Strafe davonzukommen, sondern weil ich den Protest notwendig finde und weil es ein wichtiges Mittel unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats ist, zu protestieren. Unsere Demokratie besteht nicht nur aus Wahlen allein.
    Ich wünsche mir, dass dieses Recht geschützt wird und dass die Sorgen der Menschen gewürdigt werden und nicht durch Hetze attakiert und mit opportunistischer Politik niedergedrückt werden. Ich hoffe, dass Sie alle hier im Saal dem zustimmen können, dass wir die friedlichen Proteste von Fridays for Future bis Letzte Generation unbedingt brauchen. Lassen Sie uns nicht mit denen gemein werden, die mit allen Mitteln versuchen, diese Stimmen zum Schweigen zu bringen!

    Einlassung und Schlusswort LG Berlin (ausführlich)

    Einlassung

    Sehr geehrter Vorsitzender Jörn Steitzer, Liebe Schöffinnen, Lieber Staatsanwalt Schwarz, Liebe Zuschauerinnen,

    ich bin heute hier nach Berlin gereist, weil mir die Staatsanwaltschaft, aufgrund meines Protests am 20.04.2023 vor dem Marriott-Hotel am Inge-Beisheim-Platz 1, hier in Berlin, vorwirft, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamtinnen gemäß § 113 Abs. 1 StGB geleistet zu haben. Dieser Auffassung Schloss sich das Amtsgericht Tiergarten am 18.12.2023 an. Ich selbst Teile die Rechtsauffassung nicht und habe deshalb Berufung eingelegt.

    In knappen Worten. Mir ist bisher und auch heute nicht ersichtlich, wie ich durch mein Handeln bei diesem friedlichen Protest gegenüber Polizeibeamtinnen, deren „Vornahme einer Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung von Gewalt Widerstand [ge]leistet“ hätte. Wie aus dem Urteil vom Amtsgericht und möglicherweise auch aus der Anklage zu entnehmen ist, habe ich an einem am Fahrbahnrad abgestellten Reisebus geklebt, um meinem politischen Protest Ausdruck zu verleihen. Dadurch wurde weder der Verkehr noch sonstige öffentliche Rechte eingeschränkt, die ein Eingreifen der Polizei gerechtfertigt hätten.

    Die Aussage von Polizeiobermeister Sehic, die meiner Einschätzung nach ursächlich für die Begründung des Amtsgerichts ist: ich hätte mich nicht selbst von dem Bus lösen können, möchte ich nachdrücklich widersprechen. Und ich bin mir sicher, dass ich diese Aussage am Tag des Protests so nicht getätigt habe. Gegenüber den Polizeibeamtinnen habe ich verständlich gemacht, dass ich mich nicht selbst lösen werde. Auch wenn der Lösevorgang länger als üblich gedauert hat, bin ich überzeugt, dass dies nicht meine Selbstlösefähigkeit einschränkt hat. Daher war an dieser Stelle kein einschreiten der Polizei notwendig.

    Auch der in der Urteilsbegründung demselben Zeugen zugeschriebene Aussage, ich sei weggetragen worden, möchte ich widersprechen. Ich bin, so wie die anderen Protestierenden nach dem Lösen, eigenständig und ohne widerstand mit zu dem mir zugewiesenen beschränkten Bereich gegangen.

    An dieser Stelle möchte ich noch Anzeigen, dass ich gegenüber den Polizeibeamtinnen innerhalb der Beschränkung zum Ausdruck gebracht hatte, dass ich einen Toilettengang benötige. Dieser wurde mir verwehrt, weil wir ja gleich in die Gefangenensammelstelle verbracht würden und ich dort sofort auf die Toilette gehen könne. Gutgläubig bestand ich nicht weiter auf den Toilettengang was ich schnell bereute. Denn erstens verzögerte sich die Abfahrt noch um einige Zeit und zweitens wurde an der Gefangenensammelstelle mir nicht wie zugesagt, sofort ein Toilettengang gewährt. Vielmehr musste ich die Launen der Polizeibeamtinnen aushalten, die die Ihre Kolleginnen des Außendienst verlachten, mit dem Verweis, dass die da Draußen ja nicht über die Abläufe drinnen verfügen können, und mich weiter hinhielten.

    Bei der Leibesvisitation, durfte ich mir dann noch von einer Polizeibeamtin einen Kommentar zu meinen vermeintlichen Genitalien anhören. Konnte dann jedoch nach mindestens einer Stunde nach erstmaligem Begehren meinem natürlichen Bedarf nach einem Toilettengang nachgehen.

    Die zwei letzten Punkte, sind zwar sicherlich kein Gegenstand, der hiesigen Verhandlung, gleichzeitig ist mir wichtig diese hier und heute sichtbar zu machen, da wir ja über Gewalt reden und hier habe ich Gewalt, strukturelle Gewalt, erlebt aufgrund einer meines Erachtens nicht notwendige Maßnahme der Polizei.

    Im Folgenden werde ich noch einiges Sagen, was für Sie juristisch vielleicht wenig relevant erscheint. Für mich und meine Motivation für diesen Protest jedoch ursächlich ist. Dies hier nicht zu erwähnen käme für mich der Beurteilung der Sinnhaftigkeit für die Verwendung eines Vergasers ohne die Betrachtung eines Verbrennungsmotors im Ganzen, gleich. Ich hoffe Sie haben noch eine Idee davon was ein Vergaser ist….

    Ich lade Sie ein sich zu entspannen und mir mit offenen Ohren zuzuhören.

    Als erstes ein wenig was zu meinem Protest, da die von Richter Lehmann beim Amtsgericht dokumentierte Version meine Motivation mit Fehlern und für mich nicht hinreichend dokumentiert.

    Mein Protest galt den Beteiligten der Familienunternehmer-Tage 2023, bei der sich rund 600 sogenannte Familienunternehmerinnen am 20. und 21. April 2023 in Berlin trafen. Das Busunternehmen Prima-Klima-Reisen war an diesem Tag für einige Fahrten gechartert und wurde bedauerlicher Weise mit in die Aktion verwickelt. Weder Ich noch irgendwer hat etwas gegen dieses Unternehmen und wir beabsichtigten auch keine Schädigung des Busunternehmens, weshalb wir den entstandenen Schaden in gegenseitigem Einvernehmen mit der Geschäftsführung finanziell ausgleichen. Bis zum Ende diesen Jahres wird Prima-Klima-Reisen im Besitz des vollen vereinbarten finanziellen Ausgleichs sein, heute ist etwa die Hälfte der vereinbarten Summe an Prima-Klima-Reisen gezahlt.

    Doch nun zur viel wichtigeren Gruppe, der Gruppe der mein Protest galt, der Lobbyorganisation die Familienunternehmer. Diese Organisation vertrat im Jahr 2022 6.000 Mitglieder und verfügte über drei Mio. Euro für ihre Tätigkeiten. Die Organisation lobbyiert gegen zentrale Steuerungs- und Finanzierungsmechanismen unserer Demokratie. Dabei geht es um die Vermehrung des Vermögens einzelner zu Lasten des sozialen Zusammenhalts und unserer Lebensgrundlage.

    Konkret setzt die Organisation ihr Vermögen zum Beispiel ein, um die Klimapolitik der Bundesregierung – ein wenn auch nicht zufriedenstellendes dennoch sehr wirksames Werkzeug – zu entkräften, das Lieferkettengesetz – ein Werkzeug für soziale Gerechtigkeit und unternehmerische Verantwortung – auszuhöhlen sowie die Erbschafts- und Vermögensteuer – zentral um den notwendigen sozialen und strukturellen Umbau unserer Gesellschaft in Zeiten maroder Staatshaushalte zu finanzieren – zu entkräften bzw. zu verhindern.

    Ein genauerer Blick zeigt wer die sogenannten Familientunternehmerinnen sind: Mitglied des Vereins können Unternehmerinnen werden deren Unternehmen, mehr als 1 Mio Euro Umsatz erwirtschaftet und mindestens 10 Mitarbeitende beschäftigt. Wie viele solcher Unternehmen gibt es in Deutschland? Zum Vergleich im Jahr 2020 gab es knapp 2,5 Millionen Kleinst-, kleine und mittelständische Unternehmen, das sind Unternehmen die gemeinhin als Familienunternehmen assoziiert werden. Die Kriterien erfüllen jedoch nur 16% dieser 2,5 Millionen Kleinst-, kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland, was nur ca. 400.000 Unternehmen sind (https://lobbypedia.de/wiki/Die_familienunternehmer_-_asu).

    Diese sogenannten Familienunternehmerinnen sind also sehr wählerisch, mit wem sie und für wen sie die Politik beeinflussen wollen. Eine reiche und elitäre Gruppe, deren Interesse der Erhalt des fossilen Gestern zum vermeintlichen Schutz des eigenen Kapitals ist.

    Die Familienunternehmer gehört zu genau der Gruppe, die am meisten zur Klimakatastrophe beiträgt und gleichzeitig, die Folgen am längsten finanziell ausgleichen kann. Durch ihre finanzstarke Interessenvertretung und die gezielte Schwächung demokratischer Instrumente zum Ausgleich der sozialen Ungleichheit und zum abmildern der Klimakatastrophe setzen sie wissentlich oder auch unwissentlich den Fortbestand unserer freiheitlich demokratischen Ordnung aufs Spiel.

    Gegenwärtig sind es vor Allem, die abgehängten armen Menschen, die am Stärksten die Auswirkungen der Klimakatastrophe zu spüren bekommen. Die steigenden Preise und die fehlende Teilhabe und Interessenvertretung lässt die Menschen zu nicht Wählerinnen oder zu Protestwählerinnen werden.

    Faschistinnen und Faschisten, wissen ganz genau, wie sie diese Wählerschaft mobilisieren auch wenn oder vielleicht auch gerade weil, sie kein Interesse haben deren Situation zu verbessern.

    Unsere Proteste, wollen die Zivilgesellschaft aufrütteln. Sie wollen eine Proteststimme ermöglichen ohne Faschistinnen und Faschisten wählen zu müssen. Wir sind und bleiben der Feueralarm, was sich ändert, ist wie und wo er erklingt.

    Mein Protest vor dem Marriott-Hotel, war Teil einer Vielzahl an Protesten die am 20.4.2023 als Teil einer mehrwöchigen Protestkampagne ihren Auftakt nahmen. An dem Tag und den darauffolgenden Wochen sorgten wir in Berlin als zivilgesellschaftliche Bewegung für einen sinnbildlichen Stadtstillstand. Wir konfrontierten Kanzler Scholz mit der Frage: Für wen machen Sie Politik, Kanzler Scholz?

    Dabei ging es uns darum, aufzuzeigen

    Wen die Klimakatastrophe am meisten trifft

    • Es sind die Stadtviertel der Ärmeren und der Mittelschicht die überhitzen, während Reiche in ihre klimatisierte Villen sind
    • Es sind alte Menschen, die sich keine Klimaanlage leisten können, die dehydrieren. Bereits heute gibt es tausende Hitzetote in Deutschland und eins ist sicher, es werden mehr und mehr
    • Es sind die Handwerkerinnen und  Landwirtinnen die auch bei Hitze auf die Baustellen und Äcker müssen – ohne Chance der Sonne zu entkommen, während Reiche in klimatisierten Büros arbeiten
    • Andernorts ist es noch viel schlimmer: In Ostafrika leiden 36 Millionen Menschen unter einer seit Jahren anhaltenden Dürre, alle 48 Sekunden stirbt eine Person an ihrem Hunger
    • Durch Dürren steigen die Lebensmittelpreise, was ärmere Menschen und die Mittelschicht am meisten trifft
    • während sich Superreiche schon heute Notfallpläne für den Tag anlegen, wenn die Klimakatastrophe eskaliert, sich Bunker in Neuseeland bauen, ist die große Mehrheit der Bevölkerung darauf angewiesen, dass der Staat Vorsorge trifft, uns Bürger*innen schützt und die Klimakatastrophe verhindert

    Auch wollten wir zeigen

    Wer am meisten zur Klimakatastrophe beiträgt

    In Zahlen:

    • Das reichste 1 Prozent schädigt das Klima deutlich stärker als die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit zusammen (global).
    • Die reichsten Deutschen emittieren tausendmal so viele Emissionen wie der Durchschnitt.
    • Die reichsten zehn Prozent der in Deutschland lebenden Menschen verbrauchen so viel Energie wie die unteren 40 Prozent.
    • Wenn alle so sparsam mit Energie umgehen würden, wie die untere Hälfte der deutschen Bevölkerung, hätten wir über 40% unseres gesamten Energieverbrauchs reduziert.
    • in den vergangenen 30 Jahren haben die unteren ⅔ der deutschen Bevölkerung die Emissionen am stärksten reduziert. Das reichste Prozent hat seine Emissionen aber noch weiter gesteigert!

    Zum greifbar machen:

    • Wir brauchen ein Ende der Verschwendung. Warum ist es erlaubt, dass wertvolle Energie für Privatjets und Kreuzfahrten, für beheizte Pools und für Riesen-Luxus-Villen draufgeht? 
    • Es muss aufhören, dass wir uns über die Länge von Duschzeiten streiten, während die Reichen über unsere Köpfe hinweg fliegen!
    • Eine Superyacht verursacht mehr CO2 als 600 durchschnittliche Bürger*innen Deutschlands.
    • Wenn der Handwerker sein Betriebsfahrzeug betankt, zahlt er eine CO2-Steuer. Wenn Reiche ihre Superyacht betanken, sind sie von der CO2-Abgabe befreit.

    Daraus abgeleitet fordern wir

    Den Reichen Grenzen setzen, insbesondere dem reichsten 1%

    • Wenn Klimaschutz nur über Preise gemacht wird, wenn die Dinge immer teuer werden, dann können sich die Reichen weiter freikaufen, während die breite Bevölkerung beschränkt wird. Das kann nicht sein! Die Reichen produzieren am meisten CO2! Die Bundesregierung muss den Reichen Grenzen setzen!
    • Wenn Wasser knapp ist, würde auch niemand sagen “Wir lassen den Preis bis ins Unendliche steigen, und die einen können es sich leisten, ihren Rasen zu sprengen, während andere nichts mehr zu trinken haben.” Sondern man würde Wasser rationieren.
    • Was muss aufhören: Riesen-Luxus-Villen, beheizte Pools, Kunstschnee, Privatjets, Kreuzfahrten, Yachten
    • Die Bundesregierung muss da ansetzen, wo am meisten Emissionen verursacht werden. Die Bundesregierung muss endlich denen Grenzen setzen, die am meisten Emissionen verursachen.
    • Was wollen wir? Yachten für wenige Einzelne oder die Lebensgrundlagen von uns allen schützen?
    • Die Klimaschutzbemühungen der Bundesregierung sind völlig ungenügend und sozial ungerecht. Im Gesellschaftsrat können wir eine gerechte Lösung finden, die für die große Mehrheit der Bevölkerung gut ist.

    Uns ging es darum, mit unserem Proteste die Stillstandspolitik der Bundesregierung anzuprangern und auf die weitreichenden Auswirkungen die dieses Nicht-Handeln auf unser aller Leben hat und vermehrt haben wird aufmerksam zu machen! Stillstand in der Politik, bedeutet Klimazerstörung und Niedergang unserer Zivilisation. Die Empfindlichkeit unserer Gesellschaft gegenüber Störung lässt sich am Beispiel des Autoverkehrs, sehr gut verdeutlichen. Heute sind tausende darauf angewiesen mit dem Auto von A nach B zu kommen. Doch diese Abhängigkeit ist nur ein Symptom für ganz viele andere strukturelle Abhängigkeiten im zerstörerischen Weiter-so.

    Oftmals wird dem Glauben angehangen, durch den Erhalt eines fossilen Systems, welches uns Wohlstand, Reichtum und Macht über Andere gebracht hat, unsere Zukunft zu erhalten. Doch ist es schon längst erwiesen, dass wir Erdlinge, die wir alle zusammen auf dieser Erde leben diese Erde verletzen. Die Verletzung ist dabei auch schon klar, ist nicht irgendwas, sondern sie ist sehr beträchtlich, genau genommen befindet sich die Erde in einem kollabierenden Stadium und gehört auf die Intensivstation!

    Was würden wir tun, wenn wir eine solche Person finden, die dringend Hilfe braucht? Wir würden doch alle, hoffentlich, fachliche Hilfe holen! Und alle medizinisch ausgebildeten Personen würden das ihnen mögliche tun, um den Zustand der Person zu verbessern und zu stabilisieren. Egal wie aussichtsreich es ist. Auch wenn diese nur noch eine geringe Chance sehen, diese Person zu retten, würden sie es versuchen.

    Ich sage Ihnen und allen hier im Raum, nochmal sehr eindringlich, die Erde ist diese Person. Die Erde braucht ganz dringend Notfallmaßnahmen, die ihren Zustand stabilisieren. Der Zustand, so sagen uns Klimawissenschaftlerinnen auf der ganzen Welt, ist inzwischen so kritisch, dass wir nicht mehr genau wissen, welche Maßnahme den Zustand mit aller Sicherheit stabilisieren können. Es ist jedoch klar, dass jede weitere Verzögerung im Handeln und auch jedes nicht-Handeln den Zustand des globalen Klimasystems und damit die Belebbarkeit der Erde sich weiter verschlechtern wird.

    Alles was wir jetzt tun ist wichtig! Und es ist wichtig dass jede von uns jetzt und heute losgeht! Die Wissenschaft weiß, welche Maßnahmen wirklich effektiv sind und was nur Nebelkerzen sind. Unsere Bundesregierung hat einen wissenschaftlichen Beirat der nur darauf wartet gehört und ernst genommen zu werden. Bisher verschallen alle Appelle und Warnungen…

    Leider sind wir als Gesellschaft kein gut ausgebildeter OP-Saal, denn dann würden wir alles daran setzen, diese Maßnahmen so gewissenhaft wie möglich umzusetzen. Und die Leute die an den Stellschrauben sitzen, also zum Beispiel unsere Regierungen, wollen auch nicht das wir die notwendige kollektive Handlungskompetenz entwickeln.

    Zulange haben sich Personen mit fehlendem Wissen als Ärztinnen ausgegeben. Das Konstrukt der Täuschung ist so elaboriert, dass keine es wagt, dieses anzugehen.

    Unsere Politik versagt.

    Unsere Erde verblutet auf dem OP-Tisch.

    Die Blutreserven gehen zu Ende!

    Wir müssen jetzt Handeln, sonst verändert sich die Erde so weitreichend, dass menschliches Leben in der Form wie wir es kennen nicht mehr möglich sein wird.

    Wir alle sind jetzt gefragt! Wir alle können etwas tun! Die Frage ist, trauen wir uns, uns selbst einzugestehen, dass wir uns so lange selbst getäuscht haben, so lange an etwas glauben wollten was in Wahrheit unsere Gesellschaft marodiert. Mir erscheint es fast schon normal, dass jede Generation auf die eine oder andere Weise vor der Frage steht, ob sie eine solide und identitätsstiftende Täuschung überwinden will und kann. Was klar ist, Alliierte die uns von unserer Selbstlüge befreien, gibt es diesmal nicht.

    Ich stehe heute hier, weil ich aufgestanden bin und weil ich nicht bereit bin, das fossile Weiter-so und die Zerstörung des Planeten in Kauf zu nehmen.

    Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, ob meine Entscheidung für ein Leben im Widerstand gegenüber einem gesellschaftlichen Selbstzerstörungskurs erfolgreich sein wird. Jedoch bin ich mir sicher, dass jeder Moment des Widerstands für mich die richtige Entscheidung ist. Ich glaube an die Selbstgestaltungskraft unserer Gesellschaft und ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass scheinbar unmögliche Dinge geschehen werden.

    Meine Hoffnung ist es, dass wir mehr und mehr Menschen werden, die aufstehen und sich von dem Nebel des Gestern befreien. Meine Hoffnung ist es, dass wir gemeinsam eine lebenswerte Zukunft gestalten werden und den Selbstzerstörungskurs unserer Gesellschaft überwinden können. Diese Hoffnung lässt mich auch hier und heute Vertrauensvoll sein. Ich stehe hier mit erhobenen Hauptes und bin bereit jede Konsequenz für mein entschlossenes, entschiedenes und gewissenhaftes Handeln in Kauf zu nehmen.

    Ich höre die Botschaften der Wissenschaft schon zu lange, um untätig zu bleiben. Ich glaube an die Macht des Volkes und ich glaube daran, dass eine lebenswerte Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann. Ich bin überzeugt davon, zusammen mit den anderen Bürgerinnen die sich im Rahmen der Letzten Generation engagieren, eine Art unignorierbaren Feueralarms zu sein. Ein Feueralarm der eine Gesellschaft im Rausch erwischt und deshalb nicht gehört werden will.

    Es ist jedoch offensichtlich das ein funktionierendes System. Von einem ökologisch stabilen Planeten Erde abhängt. Und das die Stabilisierung des Systems Erde von dem einwirken durch uns Menschen abhängt.

    Wir haben es hier nicht mit etwas von außen zu tun, was uns in so vielen Hollywood Block Bustern vorgespielt wurde. Der Feind, die Gefahr kommt von Innen.

    Das schöne und gleichzeitig schreckliche daran ist, dass wir selbst daran etwas ändern können und gleichzeitig sind es auch nur wir selbst die etwas ändern können.

    Ich vergleiche das für mich selbst gerne mit Ideen aus der Psychologie, viele Dinge die wir erleben und wie wir sie erleben prägen wir selbst. Bei manchen Dingen ist es richtig schön dies zu wissen und die Selbstmacht zu feiern, bei anderen ist es richtig unbequem bis unerträglich zu wissen, dass ich selbst einen großen Anteil daran habe. Die Psyche ist da dann ziemlich clever, denn alles was mir zu groß wird, wird Abgespalten und Verdrängt. Wenn ich zum Beispiel in einem Moment eine große Einsicht habe die mich neue Wege sehen lässt, kann es sein, dass im nächsten Moment mein Erhaltungstrieb eine Erklärung entwickelt warum diese neuen Wege zu gefährlich seien und ich falle in Zweifel und Angst und die freie Veränderungsenergie ist wieder weg.

    Jedoch ist jede Verdrängung und Angstperiode nur temporär und meistens wird der nächste wache Moment größer und ich stehe vor der Frage was tue ich jetzt. Vielleicht bekomme ich die Stimme des Erhaltungstriebs diesmal etwas lauter mit. Und ich schaffe es zu erkennen, dass es eine Stimme aus der Vergangenheit ist, die sich um etwas ganz anderes kümmern will. Dann schaffe ich es irgendwann mit dem Moment der Einsicht in Kontakt zu bleiben. Es kommt vielleicht Freude, möglicherweise auch Erleichterung.

    Einsichten sind interesselose Geschenke und solche Geschenke dürfen erst mal unhinterfragt da sein und geschehen.

    Genauso ist es mit der globalen Klimakrise. Zu erkennen und anzuerkennen, dass Sie gerade existiert ist interesselos. Die Klimakrise will nichts Bestimmtes von uns! Sie will nur, dass wir mitbekommen, dass sie da ist. Genauso wie jeder Mensch möchte, dass er mitbekommen wird, dass er gesehen wird.

    Jedes Mal, wenn ich erkenne, dass etwas da ist und mir die Zeit nehme, zu erkennen wer oder was es ist, passiert etwas ganz besonderes. Es entsteht ein Moment der Stille. Es entsteht ein Moment des so Seins.

    Solche Momente lassen uns, wenn oft auch nur für einen kurzen Moment, die Unendlichkeit des Universums wahrnehmen und unsere Verbundenheit mit allem.

    Erlauben Sie mir die Erinnerung, gegenwärtig ist unser Planet bereits „on fire“. Seit einem Jahr werden jeden Monat neue globale Temperaturrekorde gemessen.

    Die Bundesregierung und das reichste 1 Prozent, das am Kurs der Klimavernichtung zum Erhalt ihrer Macht festhält ist nicht daran Interessiert, dass wir uns als Zivilgesellschaft selbst organisieren. Bei dem was aktuell in unserer Gesellschaft passiert geht es um nichts geringeres als um eine Revolution, die Frage die sich mir dabei stellt ist ob am Ende Autoritäre faschistische Kräfte die überhand gewinnen oder ob es eine starke Zivilgesellschaft sein wird, die sich von dem falschen Versprechen der Freiheit und Selbstbestimmung durch die parlamentarische Demokratie befreien wird.

    Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen unsere Demokratie, vielmehr glaube ich, dass wir eine neue Welle der Demokratisierung brauchen. Ich beziehe mich dabei auf die griechische Wortbedeutung der Volksherrschaft. Gegenwärtig ist es nicht das Volk, das die Macht hat, sondern finanzstarke Wirtschaftszweige, die mit ihren Interessenvertretungen die gewählten Politikerinnen umgarnen. Diese dadurch deutlich vorherrschende Meinungsmache durch die Unternehmen macht unseren Staat eher zu einer Korporatokratie, einer Konzernherrschaft.

    Konzerne deren Benefit auf der Ausbeutung und Zerstörung des Planeten beruht mit samt aller darauf lebenden Arten, wird aus sich heraus nicht anfangen eine Politik zu unterstützen, die alle eigenen Grundprinzipien infrage stellt. Vielmehr wird jede Politik die zum Wohl des Lebens auf dem Planeten ist, versucht zu unterhöhlen.

    Für mich ist das bekannteste Beispiel einer solchen manipulativen und gefährlichen Konzernpolitik die Tabakindustrie. Deren Praktiken wurden zuletzt sehr erfolgreich von der fossilen Industrie und der Agrochemie-Industrie kopiert. Das Perfide daran ist, dass die damit zusammenhängenden Kampagnen einem Erzählen, dass genau diese toxischen Wirtschaftszweig die Heilbringerinnen der Menschheit sein.

    Die Klimakatastrophe und ihre Anerkennung und konsequente Behandlung wird deshalb so heftig bekämpft, weil sie einen grundlegenden Glaubenssatz des Kapitalismus in Frage stellt. Nämlich den, dass es unendliches Wachstum auf einen Planeten mit begrenzten Ressourcen geben könnte. Jede ehrliche Auseinandersetzung führt zwangsläufig zu einer Post-Wachstums-Gesellschaft. Und diese Veränderung bekämpft das gegenwärtige kapitalistische System vehement. Und deshalb fällt es der Justiz auch so schwer, die Bedeutung und Wichtigkeit unseres Widerstands anzuerkennen und unsere im Verhältnis zum ganzen wichtigen und zugleich unwichtigen Taten frei zu sprechen.

    Ich komme nun zum Ende und möchte nochmal die mir wichtigsten Punkte aufzählen:

    1. Ich befinde mich im friedlichen zivilen Widerstand, weil ich daran glaube, dass ich dadurch am besten zur Weiterentwicklung unserer Demokratie beitragen kann
    2. Ich bin schockiert wie sehr wir weiterhin dem Abgrund entgegen rasen, obwohl es wissenschaftlich schon lange keine Frage mehr ist ob die Klimakrise unseren Planeten maßgeblich verändern wird, sondern nur die Frage wie schlimm.
    3. Ich habe Angst vor dem zu wenig und zu langsam der Bundesregierung, da dies die Demokratie zunehmend erodiert.
    4. Mein Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Bereitschaft zur verfassungsgemäßen Regierungshandlung ist in den letzten Jahren gegen Null geschwunden, deshalb ist meine letzte Hoffnung eine engagierte Zivilgesellschaft.
    5. Neben meinem Protest engagiere ich mich daher in Strukturen, die an einer Modernisierung unserer Demokratie arbeiten. Denn wenn wir diesen Umbau nicht schaffen, werden zunehmend autoritäre bzw. totalitäre Kräfte diese erodieren.

    Ich wünschte mir, wir müssten uns mit all den Gegenwartsthemen nicht befassen. Und wir könnten wirklich nur schauen, ob ich am 20.4.2023 Gewalt gegenüber der Diensthandlung einer Vollstreckungsbeamtin ausgeübt hätte. Doch wie Bereits der Vorsitzende Jörn Steitzer in seinem Vermerk zur Ladung schrieb. Wir haben es mit einem „gesellschaftlich so aufgeladenen Thema“ zu tun. Daher sollten wir uns entscheiden, ob wir den Blick aufs Ganze Richten und entsprechend ein Urteil finden oder ob wir das Thema ausblenden und ausschließlich aufgrund der passierten Handlungen urteilen.

    Herzlichen Dank!

    Schlusswort

    Sehr geehrtes Gericht,

    wir haben uns heute unter der demokratischen Absicht der Wahrheitsfindung versammelt. Ich bin mir sicher, dass wir es nicht schaffen werden, unsere persönliche Meinung ganz aus der Sache herauszuhalten. Deshalb sind Sie ja heute auch Drei, die das Urteil finden. Ich mag Sie ermutigen im demokratischen Sinne, um die tatsächliche Wahrheit zu ringen, unbequem zu sein und dadurch zusammen sich besser dem gesehenen und relevanten annähern zu können. Ich glaube an das demokratische Prinzip der Judikative, ich bin jedoch auch realistisch und ehrlich, ich mache mir wenig Hoffnung, dass Sie mich in der Sache heute freisprechen. Überaschen Sie mich gerne. Die Fakten in der Sache sprechen für mich und einen Freispruch. Schauen Sie auf die Fakten, auch wenn Sie persönlich die Sache falsch finden. Denn unser Recht lässt uns so viel Spielraum, dass wir uns selbst gut und leicht unsere Lieblingsgeschichte erzählen können.

    Auch wenn ich mir nicht sicher bin, dass wir hier und heute zu einer gemeinsamen Rechtsauffassung finden werden, bin ich bereit, auch weiter für mein Recht zur Demonstration für meine Grundrechte, zu streiten.

    In der letzten Verhandlung habe ich viel über zivilen Ungehorsam und seine Rechtfertigung und Notwendigkeit für den Erhalt und die Stabilität unserer Demokratie gesprochen.

    Dies aufgreifend: Ich bin mir sicher, dass alle Menschen, die sagen, ich stehe auf um eine scheinbar unmögliche aber gleichzeitig so zwingend notwendige Veränderung anzustoßen, wie in meinem Fall – für eine Politik, die die Klimakrise ernst nimmt und daher erstens entsprechend ihrer eigenen Gesetzte handelt und zweitens sich an dem Stand der Wissenschaft orientiert und zwingend notwendige Handlungsspielräume und Klarheit schafft – Anerkennung und Wertschätzung gebührt. Anstatt mit Urteilen dehnbarem Rechts überhäuft und eingeschüchtert zu werden.

    Doch egal was heute hier passiert. In der Summe werden die zahlreichen Urteile auch ein Teil unserer Geschichte schreiben und als Teil eines gesellschaftlichen Diskurs zu einer Veränderung beitragen. Die Veränderung über Urteile ist jedoch eine sehr viel langsamere als die über Freisprüche. Ich lade Sie hier und heute dazu ein, den Mut zur Veränderung zu haben: Entscheiden Sie sich selbst ob Sie für die schnelle und notwendige Veränderung votieren und mich in der Sache Freisprechen.

    Für hier und heute habe ich viel gesagt und will nun noch eine letzte Einladung aussprechen: Verlassen Sie gerne Ihre Veranda, wenn sich der Nebel klärt und schauen Sie sich um. Stehen Sie auf aus ihrem Schaukelstuhl und machen sie einige Schritt herunter von Ihrer Veranda. Die Welt will Sie in Bewegung wissen, nicht nur sitzend und betrachtend. Ich lade Sie ausdrücklich ein!

    „Wann würdet ihr es tun?“ Einlassung AG Kiel

    Wann würdet ihr es tun?
    Auf einem Planeten der wissenschaftlich bewiesen einen global unzumutbaren klimatischen Zustand erreichen wird. 

    Auf diesem Planeten bin ich geboren worden. 
    Ich durfte lernen wie wichtig es ist gemeinsam zu denken und Konflikte auszuhandeln.
    ich konnte neugierig eine Welt erkunden und kennenlernen. 
    Ich hatte das Privileg diese Kindheit ohne existenzielle Sorgen haben zu dürfen. Dieses Privileg habe ich mir nicht verdient. 
    Ich hatte einfach Glück zu dieser Zeit an diesem Ort geboren zu sein.
    Ich durfte zur Schule gehen, habe nie gehungert oder Wasserknappheit erlebt. 
    Ich durfte in diesem geschützten Raum Moral und Ethik lernen, wie wir als Menschen miteinander umgehen und füreinander sorgen wollen.
    Ich habe früh gemerkt das es schön ist das richtige zu tun und sich um andere Menschen zu sorgen.
    Mit 10 Jahren bin ich in die Jugendfeuerwehr. 
    Habe mit 16 Jahren in der Kinder und Jugendarbeit die mich selbst begleitet hat angefangen zu partizipieren.
    Mit 19 führte mich mein Weg in den Sanitätsdienst und während meines Abitur machte ich schon eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. 
    Mit 21 Jahren fing ich die Ausbildung zum Notfallsanitäter an. Das alles tat ich nicht aus Eigennutz, sondern unter Aufopferung eines Anteil meiner Selbst. Den behütet Anteil.
    Während dieser Zeit lernte ich, dass das Richtige zu tun manchmal Selbstaufopferung brauch. 
    Mit 24 absolvierte ich ein ausgezeichnetes Staatsexamen und durfte eigenverantwortlich in Entscheidungsprozessen partizipieren die Lebenswendepunkte für Menschen waren und sind. 
    Egal ob das überforderte alleinerziehende Elternteil mit 3 Kindern, dessen jüngstes den ersten Fieberkrampf hatte oder die Sterbebegleitung von Familien und den Betroffenen selbst.
    An diesen Prozessen teilhaben zu können war und ist unfassbar wertvoll für mich. Den Menschen dabei zu helfen erfüllt mich mit Sinn.
    Ich darf hautnah in die Lebensrealität von Menschen eintauchen, für einen kleinen Augenblick nur. 
    Dabei sah ich mehrfach was Armut wirklich für Menschen und besonders Kinder bedeutet. Was es heißt strukturell benachteiligt zu sein, auch in Deutschland.
    Die Absurdität im einem Moment in einer 2-Zimmer Wohnung mit 3 Kindern zu sein und nichtmal 2 Stunden später in einer Villa mit mehreren Bädern wo nur ein einzelner Mensch lebt 
    werde ich nie beschreiben können.

    Ich durfte in meiner Ausbildung lernen wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert und wie ich Quellen prüfen kann. 
    Leider war meine Neugierde aus der Kindheit immernoch stark und ich beschäftigte mich mit dem Klimawandel.
    Ich las stundenlang im Bericht des Weltklimarates, las einzelne Studien und Papers, hörte mir Interviews mit den Menschen an die eben diesen Bericht geschrieben haben.
    Ich brauchte eine Weile um zu glauben was mir da gerade faktisch klar wird.
    Auf diesem Planeten bin ich geboren worden. 
    Auf diesem Planeten der selbst in den optimistischeren Szenarien des Weltklimarates ein „Weiter-So“ nicht ohne Opfer von 
    Zivilbevölkerung, Biodiversität und damit unserer Lebensgrundlage erlaubt.
    Es ging nicht nur um die einzelne Familie in Armut. Es geht um den Lebensraum von Milliarden Menschen. 
    Lebensmittelkrisen, Wasserknappheit, echte Massenmigrationen und der Gefahr des Zusammenbruchs unserer gesellschaftlichen Ordnung unter diesen Belastungen. 
    Heute noch unbegreiflich.
    Ich war wütend. 
    Wer hat mich angelogen? Warum hat mir keiner erzählt um was es hier geht?
    Wieso redet kein Mensch darüber was hier eigentlich los ist?
    Mit Wut bin ich nach Lützerath gefahren und habe protestiert.
    Lützerath wie viele Orte zuvor auch sind verloren. Die symbolische Kraft Lützerath´s bleibt ungebrochen. 
    Ein Ort buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht für die Profite eines Konzernes unter politischer Unterstützung einer parlamentarisch grünen Vertretung. 
    Ohne Notwendigkeit. Ohne Gerechtigkeit.
    Ich wollte mehr tun als nur wütend sein, also ging ich auf die Letzte Generation zu. 
    Dort lernte ich Menschen kennen dessen Selbstaufopferung für das Gemeinwohl viel größer war als meins jemals. 
    Menschen die ihre eigenen individuellen Lebensgrundlagen und ihre Freiheit für die der jetzigen und kommenden Generation riskieren.
    Menschen die sich sorgten. Um mehr als sich selbst.  
    Von diesen Menschen lernte ich auch das Wut alleine nichts verändert. 
    Ich lernte mutig und wütend zu sein. Diese Haltung ermöglicht Diskurs und Wandel. 
    Genau wie disruptiver friedlicher Protest.
    Wir als Letzte Generation erzeugen Spannung dort wo sie nötig ist für gesellschaftlichen Wandel. 
    Auch wenn wir dabei persönliche Opfer bringen. 
    Ich weiß, dass ich das richtige getan habe.
    Die eigentliche Frage dieses Prozesses ist…
    Wann würdet ihr es tun? 

    Martin Luther King (Brief aus dem Gefängnis von Birmingham) 
    „Zunächst muß ich gestehen, daß mich im Laufe der jüngsten Jahre am tiefsten die Haltung
    der weißen „Gemäßigten“ enttäuscht hat. Fast bin ich zu dem betrüblichen Schluß
    gezwungen worden, daß das große Hindernis für den Schwarzen auf seinem Weg zur Freiheit
    nicht aus Männern des „White Citizen’s Council“ oder des Ku-Klux-Klan besteht, und es
    scheint, daß der „gemäßigte“ Weiße der Idee der „Ordnung“ größere Verehrung
    entgegenbringt als der Gerechtigkeit an sich. Der weiße „Gemäßigte“ zieht einen negativen
    Frieden (die Abwesenheit von Spannung) einem positiven Frieden (der Herrschaft der
    Gerechtigkeit) vor; er versichert stets: „Im Ziel bin ich mit Ihnen einig, aber nicht in der Me-
    thode der Direktaktion, die Sie zu seiner Erreichung gewählt haben“; er bildet sich, gleich
    einem weisen Vater, ein, den Fahrplan für den Freiheitskampf eines anderen fixieren zu
    können, und läßt sich beherrschen von einer seltsamen Zeitvorstellung, die ihn dazu bewegt,
    dem Schwarzen stets zu raten, auf einen „geeigneteren Zeitpunkt“ zu warten. Das schale
    Verständnis, das Menschen guten Willens einem entgegenbringen, behindert mehr als die
    absolute Verständnislosigkeit der Übelgesonnenen. Die lauwarme Zustimmung verwirrt viel
    stärker als die ausgesprochene Ablehnung. Ich hatte zu hoffen gewagt, daß die gemäßigten
    Weißen einsehen würden, daß Gesetz und Ordnung lediglich deswegen bestehen, um
    Gerechtigkeit durchzusetzen, und daß sie, wenn sie diesen Zweck nicht erfüllen, sich als
    gefährliche Hindernisse erweisen, die den Strom des gesellschaftlichen Fortschritts aufhalten.
    Gehofft hatte ich, daß die weißen Gemäßigten begreifen würden, daß die derzeitige
    Spannung eine notwendige Entwicklungsstufe ist in dem Wandel von einem widerlichen
    negativen Friedensstand — während dessen der Schwarze untätig sich seinem Unrechten Los
    unterwarf — zu einem echten und positiven Frieden — worin alle Beteiligten die Würde und
    den Wert der menschlichen Persönlichkeit ehren und achten. Tatsächlich sind wir, die
    gewaltlose Direktaktionen praktizieren, nicht diejenigen, welche die Spannung erzeugen. Wir
    enthüllen lediglich die verborgene Spannung, die bereits besteht. Wir bringen sie ans
    Tageslicht, so daß man sie erkennen und behandeln kann. „