Wer sind die Bösen? – Wie Tierrechtsaktivismus zu Terrorismus erklärt wird

Am 24. März 2025 hat Animal Rebellion mit einem Bannerdrop auf dem Hof von Günther Felßner in Günthersbühl (Bayern) protestiert. Das schlug riesige Wellen. Als RAZ betreuen wir die Aktivist*innen in der Folge – vor allem auch emotional bei der Sorge vor Repression. Dieser Artikel ist nun eine rechtliche und politische Einordnung.

Was ist passiert?

Felßner ist CSU-Politiker sowie Präsident des Bayrischen Bauernverbandes – die bayrische konservative Lobby der konventionellen Landwirtschaft und Tierhaltung in Deutschland. Als solcher fiel Felßner in der Vergangenheit auch mit der Leugnung wissenschaftlicher Fakten zu den klima- und umweltschädlichen Auswirkungen der Tierindustrie auf. Auch wurde er bereits wegen Boden- und Gewässerverunreinigung strafrechtlich verurteilt. Dennoch galt er bis Ende März als designierter Landwirtschaftsminister, da er bereits Ende 2024 von Markus Söder für diesen Ministerposten ins Spiel gebracht wurde – lange vor der vorgezogenen Bundestagswahl und wider des guten politischen Tons, vor dem Ausgang einer Wahl keine Minister vorzuschlagen.

Am 25. März organisierte Animal Rebellion also einen Protest auf Felßners Hof: Mit zwei mitgebrachten Leitern kletterten zwei Menschen bei Tag auf das vordere Dach des Stalls, entrollten ein großes Banner mit der Aufschrift „Kein Tierausbeuter als Agrarminister“. Andere stellten sich mit Schildern vor den Stall für ein medienwirksames Foto. Für dieses wurden, in sicherer Entfernung zu den Tieren, auch zweiBengalos gezündet (kleine Rauchfackeln, die 30 Sekunden bunt rauchen). Die gesamte Aktion ging laut Aussage von Animal Rebellion keine 10 Minuten, dann verließen sie den Hof wieder. Auch die Polizei stieß erst dazu, als die Tierrechts-Aktivist*innen bereits wieder an einem etwas entfernten Parkplatz waren.

So weit so unspektakulär. Ziviler Ungehorsam? Ja, das sagt Animal Rebellion auch selbst. Was in den kommenden Tagen und Wochen medial und politisch entbrannte, lässt uns allerdings fassungslos zurück – und ehrlich gesagt auch etwas beeindruckt ob der politischen Finesse von Felßner:

Denn dieser äußerte sich am nächsten Tag öffentlich, dass er Leib und Leben seiner Familie bedroht sehe und daher vom Amt des Landwirtschaftsministers absähe. Dass sich die Kritik an seiner Eignung bereits davor türmte (Rückhalt in der CSU-Landesgruppe im Bundestag bröckelte, ist ja in der Partei eigentlich nur ein Kommunalpolitiker ohne Regierungserfahrung, breite Onlinepetition gegen seine Kandidatur, verurteilter Umweltsünder) spielte an diesem Punkt höchstens noch zweitrangig eine Rolle. Felßner und Gleichgesinnte fanden eventuell eher einen günstigen Grund zum Rücktritt, der jegliche Schuld an die Aktivist*innen abgab.

So sprach er von „Überfall“ und „Einbruch“.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied forderte: „Solche kriminellen Aktionen sind Straftaten und haben nichts mit freier Meinungsäußerung oder einem legitimen Protest zu tun. Wir dürfen diesen radikalen Aktivsten nicht durchgehen lassen, dass sie damit den demokratischen Diskurs noch weiter vergiften. Aktivisten dürfen auch kein Verbandsklagerecht haben.“

Markus Söder fordert Sonderermittlungen – was genau das sein soll, ist völlig unklar. Auch verkündete er: „am Ende muss es auch Strafen dafür geben.“

Unsere rechtliche und politische Einordnung

Der öffentliche Aufschrei und die Forderungen nach Kriminalisierung sind völlig überzogen. Forderungen nach konsequenter strafrechtlicher Verfolgung und Bestrafung sind bloße Einschüchterungsversuche, insbesondere wenn überhaupt nicht klar ist, dass Straftaten begangen wurden.

Die Aktion fand nicht beim Wohnhaus von Günther Felßner statt, sondern bei seinem Betrieb. Dort hält er Kühe eingesperrt, er bezeichnet sich selbst als „Milchviehhalter“. Zwei der Aktivist*innen waren auf dem Dach des Rinderstalls. Der Großteil der Aktivist*innen haben sich lediglich auf dem Hof vor dem Rinderstall aufgehalten. In ein Gebäude ist niemand eingedrungen.

Eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruch setzt nach § 123 Abs. 1 StGB voraus, dass in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen eingedrungen wird. Die Aktivist*innen sind in kein Gebäude eingedrungen. Daher kommt nur die Variante des „befriedeten Besitztums“ in Betracht. Ein Besitztum ist dann befriedet, wenn es in äußerlich erkennbarer Weise durch den Berechtigten mittels zusammenhängender Schutzwehren wie Mauern, Hecken, Drähte, Zäune etc. gegen das willkürliche Betreten durch andere gesichert ist. Man begeht also keinen Hausfriedensbruch, nur weil man sich auf einem Grundstück aufhält, welches jemand anderem gehört. Damit ein Hausfriedensbruch in Betracht kommt, muss das Grundstück in irgendeiner Weise vor unbefugtem Zutritt gesichert sein. Bei dem Hof, auf dem sich die Aktivist*innen aufhielten, war das nicht der Fall. Es lag direkt an der Straße und war von dieser ohne weiteres zu betreten. In keine Richtung gab es irgendwelche Abgrenzungen. Auf der einen Seite des Grundstücks liegt ein Wald, auf einer ein Acker, auf anderer die Straße. Es gibt daher keinen Anlass, gegen alle Aktivist:innen wegen Hausfriedensbruch zu ermitteln, und schon gar nicht, direkt klare Bestrafung zu fordern – so funktioniert schlichtweg die Idee eines Rechtsstaats und eines fairen Rechtssystems nach dem Prinzip „unschuldig bis Schuld bewiesen“ nicht.

Zudem setzt die Verfolgung von Hausfriedensbruch einen Strafantrag voraus. Günther Felßner hat bereits angekündigt, Strafanzeige erstattet zu haben. Selbstverständlich wird Günther Felßner wohl nicht gegen alle Menschen, die statt über die Straße zu laufen, über den Bürgersteig treten und sich damit auf seinem Hof befinden, Strafantrag gestellt haben.

Bei dem Einsatz von Bengalos, der Animal Rebellion auch vorgeworfen wird, kann es sich allenfalls um eine Ordnungswidrigkeit (wie etwa Falschparken) darstellen.

Animal Rebellion hat sich dem friedlichen und gewaltfreien Vorgehen verpflichtet und nie einem Menschen oder Tier etwas angetan. Man kann ohne Probleme darüber diskutieren, was es mit dem Image einer Gruppe auf einem Bild macht, wenn Menschen teils vermummt sind oder bunten Rauch nutzen. Ob das ein starkes, kraftvolles Symbol ist oder potentiell erschrecken kann. Man kann auch gerichtlich prüfen, ob es sich bei Beteiligten um eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit gehandelt hat – Thema ‚Funktionsweise von zivilem Ungehorsam.‘

Dass die Aktion nun als Bedrohung von Leib und Leben seiner Familie dargestellt wird, als Angriff, als Todesangst wegen Ökoterroristen, ist ein Versuch, einem friedlichen Protest jegliche Legitimität abzusprechen. Das ist nichts Neues, und Felßner, der Deutsche Bauerverband und einige andere mit klaren eigennützigen Positionen haben dieses Spiel in den letzten Wochen brillant gespielt.

Wir als RAZ e.V. sind aber der Überzeugung, dass eine Demokratie, die überhaupt oft nur durch zivilen Ungehorsam erkämpft wurde, solchen Protest aushalten können sollte. Natürlich stößt er auf Aufregung, das soll er auch. Natürlich wird er kritisiert und erzeugt so Debatte. Eine Kampagne, die die Aktivist*innen jedoch mit Terrorist*innen gleichsetzt, verschließt diese Debatte. Eine rechtlich nicht korrekt eingeordnete Vor-Verurteilung als martialische Straftäter verengt auf gefährliche Weise den rechtlichen Rahmen in Deutschland. Und eine hochgradig tendenziöse bis klar hetzende Presseberichterstattung auf der Suche nach der reißerischsten Überschrift zieht Journalismus ins Lächerliche – was den Felßners dieser Welt natürlich zu Gute kommt, aber für eine aufgeklärte Bevölkerung einer diversen, offenen demokratischen Gesellschaft Gift ist. Thema ‚Journalismus als Vierte Säule der Gewaltenteilung.‘