Haftbetreuungen – Aktuelle Infos, Überblick, Unterstützungsmöglichkeiten

Als RAZ e.V. betreuen wir Aktivist:innen vor, während, und nach Aktionen. Viele dieser Menschen erfahren Verurteilungen von Gerichten. Während einige Richter:innen freisprechen, gibt es in ähnlich gelagerten Fällen Haftstrafen teilweise in absurden Höhen.

AKTUELL: Unterstütze unsere Kampagne für Karl!

Unsere Gefängnis-AG unterstützt Menschen in Haft. Hier findet ihr einen Überblick von Menschen, die sich aktuell unter unserer Betreuung im Gefängnis befinden, sowie Handlungsmöglichkeiten für dich zur Unterstützung. Das Thema Haft kann sowohl für Betroffene, als auch für Freund:innen und Angehörige belastend sein. Du kannst dich jederzeit bei unserem emotionalen und psychologischen Support melden für ein beratendes Gespräch.

Aktuelle Gefängnisaufenthalte

Karl Braig, JVA Kempten, 16.12.2024 bis voraussichtlich Mai 2025

Karl Braig ist der erste Aktivist der Bewegung, die sich Letzte Generation nannte, der nach einer Verurteilung für mehrere Monate ins Gefängnis muss. Der Grund dafür sind zwei Straßenblockaden von wenigen Minuten im März 2023 in Bayern. Für seine Beteiligung an diesen wurde er vom Amtsgericht Passau zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wurde auf Bewährung von drei Jahren Dauer ausgesetzt, verbunden mit einer Auflage, 500 Euro zu zahlen. Karl kam der Zahlung, sowie dem Bewährungszeitraum, nicht nach und trat dementsprechend am 16.12.2024 seine Haftstrafe in der JVA Kempten an.

Am 16.12.2024 warteten dutzende Menschen auf Karl, um ihn mit Reden, Gesang, und Applaus bis zu den Toren des Gefängnisses begleiteten.

Wie es sich angefühlt hat, über Weihnachten im Gefängnis zu sein, wie der Kontakt zu den anderen Inhaftierten ist und wie Wintersport und Tischtennis Karl durch die Zeit im Gefängnis helfen könnt ihr auf Karls Tagebuch Website verfolgen: https://karl.hamatoma.de/ 

Er schrieb in seinem ersten Brief direkt nach dem Haftantritt: “Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich den Innenhof, wo wir täglich eine Stunde unseren Rundgang machen können und in voller Front dann ein weiteres hohes und breites Gefängniswohngebäude. Um noch was anderes zu sehen als Gebäude und Gitterstäbe, muss ich an die Ecke schauen. Dann kann ich über einen Teil von Kempten schauen und im Hintergrund sogar die Alpen erkennen.”

Weitere Einblicke finden sich auch auf unserem Newsblog: https://raz-ev.org/karls-tagebuch-aus-der-jva/ 

Karl freut sich über Briefe und versucht auch auf alle Nachrichten zu antworten – er bittet darum, dass auch die Absendeadressen auf den Umschlägen stehen oder im Brief notiert sind.

Mirjam Herrmmann, JVA Chemnitz, 24.01.2025 bis voraussichtlich 07.02.2025

Mirjam Herrmann sitzt momentan eine 15-tägige Ersatzfreiheitsstrafe im Frauengefängnis Chemnitz. Sie wurde vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck für ihren Protest gegen das Lobby-Event „Internationale Automobilausstellung“ (IAA) am 07.09.2021 zu einer Geldstrafe von 750 Euro (bestehend aus 30 Tagessätzen à 25 Euro) verurteilt. Dort hatte sie sich mit einem Banner an ein Brückengeländer über der A96 in der Nähe von München gehängt.

Mirjam entschied sich dagegen, die Strafe zu zahlen. Dementsprechend ordnete die Staatsanwaltschaft Haft an.

Kurz vor ihrer Haft sagte Mirjam folgendes: “Ich erinnere mich gut an die IAA 2021, auch wenn ich die meiste Zeit davon rechtswidrig in Präventivhaft saß. Dieses Jahr fühlt sich wie eine Wiederholung an: Wieder sitze ich in Haft wegen der gleichen Sache und München bietet im September erneut das ganze Stadtgebiet feil als eine Werbe-Plattform für Autokonzerne. Als hätte man in den letzten Jahren nichts gelernt. Für diese Ignoranz dem Klimakollaps gegenüber mit seinen katastrophalen sozialen Folgen und die Kriminalisierung des legitimen Protests dagegen will ich nicht bezahlen.”

Mirjam freut sich sehr über Briefe und hat sich für ihren Gefängnisaufenthalt mehrere Schreibprojekte vorgenommen.

Julian Bert, JVA Aschaffenburg, 29.01.2025 bis voraussichtlich 05.02.2025

Am 29. Januar 2025 trat Julian B. eine sieben tägige Ersatzfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Aschaffenburg an. Die Haftstrafe resultiert aus einer Verurteilung wegen versuchter Nötigung im Zusammenhang mit seiner ersten Protestaktion als Teil der Letzten Generation am 27. März 2023 in Passau. Der Protest fand statt, als die Stadt unter Hochwasser stand – eine drastische Erinnerung an die Ignoranz der Politik gegenüber der Klimakrise. Julian ist Jurist, arbeitete zuletzt im IT-Bereich einer Softwarefirma und widmet sein Leben seit 2023 in großen Teilen dem Klimaaktivismus. Unter anderem unterstützt er selbst im RAZ andere Aktivist:innen bei ihrem Umgang mit Repressionen

Julian erklärt vor seinem Haftantritt: “Ich habe großen Respekt vor der Zeit im Gefängnis – vor der Isolation, dem Freiheitsentzug und der Ungewissheit, wie ich mit den anderen Insassen klarkomme. Aber ich bin nicht bereit, dieses System durch die Zahlung einer Geldstrafe zu unterstützen. Mein Protest richtet sich genau dagegen: Gegen eine Gesellschaft, die friedlichen Protest kriminalisiert, anstatt die dringend notwendigen Veränderungen anzugehen.

Julian freut sich über Briefe über unser Formular. Auch ihm wird, ähnlich wie Karl Braig, keine vegane Ernährung in der JVA ermöglicht.

Vergangene Gefängnisaufenthalte

Kevin Hecht, JVA Uelzen, 16.12.2024 bis 22.01.2025

Nach einer Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten (Berlin) wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte entschied Kevin sich dagegen die Geldstrafe zu zahlen. Der Vorwurf nach § 113 StGB wird in Berlin, im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern, angeklagt, wenn Klimaaktivist:innen sich z.B. an eine Fahrbahn ankleben oder dies versuchen. Kevin hatte sich an einer Straßenblockade der Letzten Generation beteiligt und auch in diesem Zug festgeklebt. Kevin saß bereits im August 2023 für 28 Tage in Cottbus eine Ersatzfreiheitsstrafe ab.


Kevin Hecht verbrachte die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel in der JVA Uelzen. Dort wurde Kevin nach 38 Tagen Ende Januar wieder entlassen. Nach eigener Aussage überstand Kevin die Haftzeit verhältnismäßig gut. Wir sind froh, dass Kevin sich nicht mehr hinter Gittern befindet und nun in die Klausurenphase in des Studiums starten kann.

Briefe aus der Haft können hier nachgelesen werden:
Erster Brief
Erster Brief Audio
Zweiter Brief Audio

Auch ein Solidaritätssbrief von Gruppen und Einzelunterstützer*innen aus Lüneburg wurde am 15 Januar veröffentlicht.

How to Briefe schreiben

Du kannst den Inhaftierten ganz einfach Briefe über unser Formular oder direkt in die jeweilige JVA schicken!

Hier ist der Link zum Briefeformular: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLScxFakHhvroVwcu6N7KN5q3_jYaRxnqTgbZIDMXukAy_jWA6w/viewform?usp=header

In dem Formular findest du Auswahlmöglichkeiten an Personen – das sind die Menschen, die sich aktuell in Haft befinden. Wähle dann einfach eine Person aus und schreibe deine Nachricht in das Textfeld und/oder lade Fotos hoch.

Die Inhaftierten freuen sich, wenn du deine Anschrift oder Mailadresse in deinem Brief erwähnst – sonst haben sie nämlich keine Möglichkeit dir zu antworten – entweder während oder nach der Haft.

Wenn du kein Googlekonto hast (Voraussetzung für das Formular), kannst du dich gerne bei uns via [email protected] melden, um die genauen Adressen zu erhalten.

Falls du einen physischen Brief hinschickst, ist es meistens sinnvoll z.B. auch ein paar Briefmarken mitzuschicken. Diese kann die inhaftierte Person dann für eine Rückantwort nutzen. Auch unbeschriebene Postkarten oder Briefumschläge sind gern gesehen!

Danke dir für all den Support, den du hinter die Mauern schickst!

Kampagne Vegane Ernährung in der JVA Kempten – Unterstütze Karl!

Karl Braig wurde aufgrund seiner Beteiligung an zwei Straßenblockaden der Letzten Generation vor dem Amtsgericht Passau zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt und befindet sich zurzeit in der JVA Kempten. Die Zeit im Gefängnis ist hart und geht oftmals nicht spurlos an Menschen vorbei. Aus diesem Grund sind die mentale psychische und körperliche Gesundheit und Stabilität immens wichtig, um die Zeit der Einsamkeit zu überstehen.

Auf die wichtigsten Bedürfnisse das Inhaftieren muss Rücksicht genommen werden!

Im nächsten Menüpunkt findest du direkt alle Information, wie du Karl direkt unterstützen kannst als Einzelperson!

Wenn du Teil einer Organisation oder/und Institution bist, die perspektivisch einen offenen Brief unterstützen möchte oder ein eigenes Statement veröffentlicht hat, melde dich richtig gerne bei uns via [email protected]!

Auf Karls persönlichem Newsblog gibt er außerdem Updates zur Situation in der Haft.

Hintergründe: Wieso ist vegane Ernährung für Karl essentiell?

Karl ernährt sich schon seit über 20 Jahren vegan. In der JVA Kempten wird ihm jedoch keine vegane Ernährung angeboten. Durch die radikale und plötzliche Ernährungsumstellung leidet Karl unter starken körperlichen Beschwerden. Auch leidet einhergehend die psychische Gesundheit.

Über einen Antrag auf veganes Essen von Karl an die Anstaltsleitung kam von einem „Schließer“, der auch in der Küche arbeitet, die Aussage, dass dies hier nicht möglich ist. Karl kann lediglich beim Einkauf einige wenige Sachen bestellen, wie z.B. Müsli und Reismilch. Das Hinzuziehen des Anstaltsarztes ermöglicht ihm nun am Abend eine Sonderration Obst, was bei weitem jedoch nicht ausreichend ist.

Wir möchten nun Karl und alle zukünftig in Bayern Inhaftieren dabei unterstützen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine vegane Ernährung im Strafvollzug einzufordern.

Denn ein Anspruch auf vegane Ernährung im Gefängnis lässt sich durch folgende Ansätze unter anderem rechtlich begründen:

1. Grundrechte und Menschenwürde

Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) garantiert die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Die Ernährung ist ein elementarer Bestandteil der individuellen Lebensführung, und die freie Entscheidung darüber ist ein Ausdruck der Persönlichkeitsentfaltung. Artikel 2 Absatz 1 GG schützt die allgemeine Handlungsfreiheit, die auch die Wahl der Ernährung umfasst.

2. Glaubens- und Gewissensfreiheit

Artikel 4 Absatz 1 GG garantiert die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit, nach diesen Überzeugungen zu handeln. Wenn die vegane Lebensweise aus religiösen oder ethisch-moralischen Gründen verfolgt wird, fällt dies in den Schutzbereich dieses Grundrechts.

3. Gesetzliche Verpflichtung der JVA zur Verpflegung

Gemäß § 21 Absatz 3 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) ist die JVA verpflichtet, eine angemessene und ausreichende Verpflegung bereitzustellen. Eine vegane Ernährung kann dabei als „angemessen“ gelten, wenn sie gesundheitlich unbedenklich ist und den individuellen Bedürfnissen der Gefangenen gerecht wird.

4. Antidiskriminierungsrecht

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt vor Diskriminierung aufgrund von Weltanschauung (§ 1 AGG). Wenn eine vegane Ernährung auf einer ethischen Weltanschauung beruht, könnte die Ablehnung der Bereitstellung einer solchen Ernährung eine Ungleichbehandlung darstellen.

5. Berufung auf Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)

Veganismus als geschützte Weltanschauung

Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung den ethischen Veganismus als eine von Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützte Weltanschauung anerkannt (https://www.uni-bremen.de/jura/forschungsstelle-fuer-tier-und-tierschutzrecht/aktuelles )

Artikel 9 EMRK garantiert das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dies bedeutet, dass die vegane Ernährung als Ausdruck einer tief empfundenen ethischen Überzeugung einen ähnlichen Schutz genießt wie religiöse Überzeugungen. Gefängnisse sind verpflichtet, diese Rechte zu respektieren, soweit dies praktisch und organisatorisch möglich ist.

Wir fordern nun speziell die Gefängnisleitung der JVA Kempten auf, eine vegane Verpflegung auf Wunsch für alle Inhaftierten zu ermöglichen. Das Budget für die Verpflegung von Strafgefangenen in einer JVA sollte auch dies ermöglichen.

Um unser Anliegen Gehör zu verschaffen, starten wir eine Briefkampagne. Jeder Brief, jedes Statement von euch zählt und erhöht den Druck auf die Entscheidungsträger! Wir wollen den Gefängnisbriefkasten fluten!!!

Unsere Briefe und Statements gehen an die Anstaltsleitung der JVA Kempten, Anja Ellinger.

So machst du mit bei der Kampagne für Karl!

Briefe an die JVA-Leitung schreiben!

  1. Nutze das Briefeformular oder verfasse deinen eigenen Brief
    Das Formular findest du hier: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLScxFakHhvroVwcu6N7KN5q3_jYaRxnqTgbZIDMXukAy_jWA6w/viewform?usp=header
    Wenn wir deine Briefe hier auf der Website veröffentlichen dürfen, klicke dies gern an!
  1. Schicke Vegane Rezepte mit eurem Brief als Inspiration für die JVA!
  2. Adressiere deinen Brief an die Verantwortlichen
    Gib die Anstaltsleitung als Empfängerin an: An die Anstaltsleitung der JVA Kempten.
  3. Schicke den Brief ab
    Per Post oder in unserem Formular.
  4. Teile diesen Aufruf
    Erzähl Freunden und Familie davon und teile den Aufruf auf Social Media, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Es gibt auf der Instagramseite von RAZ e.V. einen Informationspost, der einfach geteilt werden kann.

Videostatements – und aufrufe

  1. Verfasse ein kurzes Statement/Aufruf.
  2. Versende diesen an unsere E-Mail oder markiere den RAZ e.V. auf Instagram bzw. sende uns eine Collab-Anfrage.
  3. Teile deinen Aufruf: 
    Erzähl Freunden und Familie davon und teile den Aufruf auf Social Media, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Gründe für vegane Ernährung

Karl hat sich vor über 20 Jahren zu einer veganen Ernährung entschieden. Nun wird ihm diese Möglichkeit in Haft verweigert. So wie Karl geht es auch anderen Inhaftierten, bzw. wird es den meisten Menschen, die in Haft gehen, ergehen. Hier ein paar zusammengesammelte Einblicke, wieso diese Menschen sich für vegane Ernährung entschieden haben.

Insgesamt bietet z.B. auch PETA Einblick in mögliche Gründe.

[Einfügen von Quellenübersicht erfolgt noch]

Hilf mit den Notfalltopf vom RAZ e.V. aufzufüllen

Als Verein möchten wir Aktivist:innen in Haft die Möglichkeit bieten, sie im Notfall rauszukaufen. Es kann im Gefängnis zu belastenden und gefährlichen Situationen kommen, die einen Rauskauf erfordern. Wir freuen uns, wenn du dir vorstellen kannst, unseren Topf aufzufüllen.

Am einfachsten kannst du uns eine Spende schicken mit dem Hinweis, dass diese für den Notfalltopf verwendet werden soll: https://raz-ev.org/spenden/