Gewonnen: Klage gegen die Polizei Berlin und Versammlungsauflösung
Sich friedlich und gewaltfrei zu versammeln ist in Deutschland vom Artikel 8 des Grundgesetzes (GG) geschützt – eigentlich. „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“ heißt es dort.
Am 16. März 2024 wurden ca. 100 Versammlungsteilnehmende der Letzten Generation direkt bei bzw. noch vor Beginn einer Versammlung von der Polizei unmittelbar und unter sofortiger Anwendung körperlichen Zwangs geräumt und festgenommen. Wir berichteten im vergangenen November bereits darüber. Dieses Vorgehen der Berliner Polizei, die insbesondere für die Anwendung von Schmerzgriffen sowie allgemein gewaltvolles Vorgehen gegen Demonstrationsteilnehmende bekannt ist, ging im März 2024 erneut damit einher, dass die Demonstrierenden nicht vorgewarnt oder vorher zum Gehen aufgefordert wurden. Zum Teil wurden sie im Anschluss über Stunden in polizeilichen Maßnahmen festgehalten, durchsucht und mit in die Gefangenensammelstelle genommen – dafür, dass sie vorhatten, sich an einer Versammlung zu beteiligen. Des Weiteren wurden Platzverweise ausgestellt und weitere Ingewahrsamnahmen angedroht, sollten diese nicht befolgt werden.
Gegen dieses Vorgehen klagte vergangenen Dezember 2024 Regi Stephan als Teilnehmende Person der Versammlung exemplarisch in Form einer Verwaltungsklage, die der RAZ mit begleitet – gegen die Missachtung der Versammlungsfreiheit, gegen die damit einhergehende rechtswidrige Handlung der Polizei und für das Recht, sich friedlich zu versammeln, unabhängig des Themas und der Gruppe. Diese Klage wurde nun gewonnen!
Das Vorgehen der Polizei sowie das regelmäßige Tolerieren dieses Vorgehens Berlins stellen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit dar, die ein Grundrecht der Menschen in Deutschland ist. Der Rechtsschutz gegen solche Maßnahmen ist leider oft schwierig, weil es vor Ort keine Handhabe gibt, gegen das Vorgehen vorzugehen. Ein Ansatz sich dagegen zu wehren, sind Fortsetzungsfeststellungsklagen.
(Exkurs: Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist eine besondere Form der Verwaltungsgerichtsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie dient dazu, die Rechtswidrigkeit eines bereits erledigten Verwaltungsakts gerichtlich feststellen zu lassen.)
Diese dauern normalerweise Jahre, dieses Mal ging es jedoch sehr schnell: Die Polizei erkannte an, dass ihr Verhalten rechtswidrig war, so kam es zu keiner mündlichen Verhandlung und einem schnellen Urteil, welches die Rechtswidrigkeit des Wegzerrens und in-Gewahrsam-nehmen bestätigt:
„Es wird festgestellt, dass das Wegtragen und Wegzerren der Klägerin von der Fahrbahn am 16. März 2024 gegen 12:00 Uhr auf der Warschauer Brücke, die sich daran anschließende Einkesselung der Klägerin zusammen mit einer Personengruppe bis ca. 13:13 Uhr, die Identitätsfeststellung der Klägerin, das anschließende Festhalten der Klägerin im Gefangenentransporter sowie das erneute Wegtragen und Wegzerren der Klägerin von der Fahrbahn um 16:00 Uhr durch die Polizei rechtswidrig gewesen sind.“
Auch wenn es ermüdend sein kann, Kraft und vor allem Geld zieht: Viele dieser Klagen zu führen ist ein Weg dafür zu kämpfen, dass die Polizei Berlin ihr Verhalten in Zukunft ändert. Es ist einem Rechtsstaat unwürdig, dass die Teilnahme an einer Versammlung dazu führt, dass Menschen stundenlang grundlos festgehalten, ihre Personalien aufgenommen oder sie über Stunden in Zellen gesperrt werden – auch wenn sich die Erfahrungen und Berichte eben jenes Vorgehen manchmal beinahe normalisiert anfühlen.
Besagtes Verfahren konnte nur dank diverser Spenden von EUCH geführt werden, welche die Anwält*innen dahinter bezahlt haben. Vielen Dank dafür!