DNA-Entnahme bei Hausdurchsuchung war rechtswidrig
Am 25. Juli 2024 protestierten mehrere Menschen am Flughafen Frankfurt, indem sie sich Zugang durch den Zaun verschafften, sich auf das Rollfeld setzen, teils festklebten und so den Flugverkehr blockierten. Die Aktion war Teil der internationalen Kampagne “Oil Kills” für einen internationalen Vertrag zur Nichtverbreitung und dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in Deutschland, den USA, Großbritannien, Österreich, den Niederlanden, der Schweiz, Kanada, Schweden, Finnland, Spanien und Norwegen.
Am frühen Morgen gut zwei Wochen später wurden an acht Orten in Deutschland Wohnungen der Protestierenden durchsucht sowie deren DNA entnommen.
Seit Donnerstag, den 06. Februar 2015 liegt der Beschluss vor, dass das Entnehmen der DNA-Proben nicht rechtmäßig stattfand!
Mehrere der Betroffenen Aktivist*innen legten gegen die DNA-Entnahme mit ihren Anwält*innen Beschwerde ein. Nachdem Staatsanwaltschaft als auch das Amtsgericht Frankfurt dieser Beschwerde nicht abhalf, entschied nun das Landgericht:
„Die nach § 304 StPO zulässigen Beschwerden sind begründet.
Gem. § 81a StPO darf eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Hierzu sind Entnahmen von Blutproben oder andere körperliche Eingriffe statthaft. […]Allerdings ist der DNA-Abgleich zur Erforschung des Sachverhalts nicht erforderlich, § 81e Abs. 1 Satz 1 a.E. StPO. Sämtliche Beschuldigte wurden am Tatort auf frischer Tat betroffen, nämlich an den jeweiligen Klebeorten durch Polizeibeamte. Dass sie auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes auf das Flughafengelände eindrangen, dies durch die jeweiligen Stellen, an denen Löcher in den Zaun geschnitten wurden, ist offensichtlich. Jeweilige Tatbeiträge des oder der einen können somit den anderen zugerechnet werden (§ 25 Abs. 2 StGB). Wer letztlich die Löcher in die Zäune geschnitten hat, ist möglicherweise von Bedeutung, könnte aber durch einen DNA-Abgleich gar nicht sicher festgestellt werden. Es ist daher nicht erkennbar und wurde auch nicht vorgetragen, welcher Teil des Sachverhaltes mittels DNA-Abgleich aufgeklärt werden soll.
[…] Diese Entscheidung hat Bindungswirkung auch gegenüber denjenigen von dem aufgehobenen Beschluss Betroffenen, die keine Beschwerde eingelegt haben (§ 357 StPO analog).“
Warum dieser Beschluss wichtig ist – und die Maßnahme eigentlich ein Skandal
Die angeordnete DNA-Entnahme war, wie auch im Beschluss deutlich wird, völlig unnötig und damit vor allem unverhältnismäßig. Wird der DNA-Entnahme nicht freiwillig durch die Abgabe von Speichel Folge geleistet, kann unter Zwang von einem Arzt Blut abgenommen werden. Dies geschah bspw. im Juli 2021, als Aktivist*innen den Zugang zum DHL-Hub am Flughafen Halle-Leipzig blockierten, um gegen den massiven Flughafenausbau zu protestieren. 49 Personen wurden in der Nacht inhaftiert. In der Gefangenensammelstelle Dimitroffwache Leipzig wurde allen, die nicht ihre Identität preisgaben, unter Zwang Blut abgenommen. In der Realität heißt das: Polizei oder Polizeiwachen-Personal hält dich gewaltsam fest, während ein Arzt dir gegen deinen Willen Blut abnimmt.
Das ist an sich schon ein krasser Eingriff in die Rechte der verdächtigten Person. Insbesondere vor dem im Beschluss beschriebenen Hintergrund ist dieses Vorgehen aber schlicht ein völlig überzogener Grenzübertritt: Die entsprechenden Personen haben nicht verheimlicht, dass sie den Protest am Flughafen mit der Letzten Generation und dem internationalen Netzwerk „Oil Kills“ durchgeführt haben. Es gab veröffentlichtes Foto- und Videomaterial von der Letzten Generation im Internet zur Verfügung. Sie haben sich alle bereits am Flughafen mit Ausweisen selbst identifiziert (immerhin haben sie sich selber festgeklebt!) und keinen Widerstand gegen Maßnahmen geleistet. Auch Fluchtgefahr bestand nicht: Alle haben einen festen Wohnsitz, haben diesen angegeben. Und auch aus den zum Zeitpunkt vergangenen 2 ½ Jahren Letzte Generation ist abzuleiten, dass keinerlei Fluchtgefahr von Aktivist*innen besteht, sondern diese sich im Gegenteil folgenden Repressionen selbstbewusst stellen. All dies war in den 2 Wochen zwischen Aktion und Hausdurchsuchung klar ermittelbar.
Entsprechend war das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft genau eines: Ein erneutes zur-Schau-stellen von möglicher Repression, von der möglichen Härte und den möglichen Mitteln zur Einschüchterung von Unliebsamem Protest. Ein Demonstrieren von „Schau, was wir für eine Macht über dich haben, wenn wir wollen.“ Das dabei immer wieder Fakten geschaffen werden, obwohl klar ist, dass solches Vorgehen rechtswidrig ist, ist keine Seltenheit mehr: Sei es bei der gewaltsamen Auflösung von Protesten für Klimaschutz oder in Palästina-Solidarität, Hausdurchsuchungen, DNA-Entnahmen wie in diesem Fall, oder der Auslieferung der Antifaschistin Maja T. nach Ungarn.
Nichtsdestotrotz sind entsprechende Beschwerden dagegen und folgende Beschlüsse wichtig: Nicht alleine schon, da nun bessere Chancen bestehen, dass die DNA-Daten aus den Ermittlungsdatenbanken gelöscht werden.
Exkurs: erzwungene DNA-Entnahmen und die Unvereinbarkeit mit medizinethischer Verantwortung
Die Mitwirkung von Ärztinnen und Ärzten an zwangsweise angeordneten DNA-Entnahmen, insbesondere durch Blutabnahmen im Rahmen polizeilicher Maßnahmen, kann aus ethischer Sicht höchst problematisch sein, wenn man sie im Lichte des ärztlichen Berufsethos und des Genfer Arztgelöbnisses betrachtet.
Das Genfer Gelöbnis betont: „Ich werde die Autonomie und Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren.“ Und: „Ich werde selbst unter Bedrohung mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.“
Eine ärztlich durchgeführte Zwangsblutabnahme kann gegen die Würde und Autonomie des betroffenen Menschen verstoßen. Die Mitwirkung an staatlich angeordneten Zwangsmaßnahmen kann klar als Eingriff in bürgerliche Freiheiten betrachtet werden.
Ein zentrales medizinethisches Prinzip ist außerdem die informierte Einwilligung. Patientinnen und Patienten müssen freiwillig und aufgeklärt jeder medizinischen Maßnahme zustimmen. Eine Blutabnahme gegen den Willen einer Person (z. B. unter Zwang oder Druck) verstößt gegen dieses Grundprinzip.
Die Medizin darf nicht zur Durchsetzung staatlicher Repressionsmaßnahmen instrumentalisiert werden. Die Geschichte zeigt, dass die Mitwirkung von Ärztinnen und Ärzten an staatlichen Zwangsmaßnahmen (z. B. in Diktaturen) oft zu schweren Menschenrechtsverletzungen geführt hat. Wenn Ärztinnen und Ärzte sich an solchen Zwangsmaßnahmen beteiligen, kann das als Legitimierung staatlicher Gewalt durch die Medizin verstanden werden.
Ärztinnen und Ärzte können sich in Deutschland auf ihre berufliche Gewissensfreiheit berufen und eine Mitwirkung ablehnen. Aus juristischer Sicht gibt es derzeit jedoch keine generelle Verpflichtung, solche Maßnahmen abzulehnen.
Ärztekammern und Ethikkommissionen haben mehrfach betont, dass medizinische Zwangsmaßnahmen außerhalb eines vitalen medizinischen Notfalls unethisch sind. Ein klarer Standpunkt gegen solche Eingriffe ist daher notwendig, um die Integrität des Heilberufs zu wahren.