Vierwöchige Meldeauflagen für zwei Leipziger Mitglieder der Letzten Generation
Leipzig, den 16. August 2024
Seit Montag, den 12. August, müssen sich Maxi und Charlee zweimal am Tag bei einer Polizeistation in Leipzig melden. Ihnen wurde am Freitag davor jeweils eine Meldeauflage der Polizei Sachsen zugestellt, die sie dazu verpflichtet, um 8 Uhr morgens und 17 Uhr nachmittags bei der Security vor Ort Bescheid zu sagen, dass sie gerne ihre Unterschrift auf die 30-Zeilen-lange Liste setzen würden. Dies müssen sie jeden Tag, auch Sonntags, bis zum 11. September wiederholen, wenn sie verhindern möchten, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000€ angeordnet, bzw. bei Uneinbringlichkeit dieses Geldes ein Haftbefehl erlassen und Zwangshaft angedroht wird.
Dies sind nicht die ersten Meldeauflagen für Aktivist:innen der Letzten Generation. Gegen bisherige Meldeauflagen wurde in der Vergangenheit erfolgreich vorgegangen, teilweise laufen die Hauptklagen allerdings noch – siehe auch unseren Blogpost zu Meldeauflagen im Kontext der EM 2024.
Im Fall von Maxi und Charlee werden die Auflagen damit begründet, dass die beiden in den letzten Tagen öffentlich ausgesagt hätten, dass sie “weiterhin international Flughäfen lahmlegen [wollten] und dies weiterhin voller Liebe zu tun”, so die Polizei Sachsen in einer der Auflagen.
Hierbei handelt es sich um ein Mittel der Einschüchterung und fast komplett unsichtbare Repression. Nachdem es am Donnerstag, den 8. August, morgens um 6 Uhr bereits bei den beiden, sowie sechs weiteren Mitglieder der Letzten Generation, Hausdurchsuchungen und DNA-Entnahmen (!) im Nachgang einer Blockadeaktion am Frankfurter Flughafen gab, wird auf diese Weise extrem in die Grundrechte von Maxi und Charlee eingegriffen. Ähnlich wie bei Aufenthalts- und Kontaktverbot sowie Einsatz von elektronischen Fußfesseln, beschränken Meldeauflagen unmittelbar die Handlungsfreiheit, Fortbewegungsfreiheit und Freizügigkeit der Betroffenen.
Meldeauflagen können von der Polizei gegenüber Personen zum Zweck der Verhütung von Straftaten angeordnet werden, wenn das tägliche Melden bei Dienststellen konkreteStraftaten verhindern kann. Dadurch versichert die Polizei sich, dass die betroffenen Personen sich in dem jeweiligen Zeitraum nur unter ausführlich begründeten Ausnahmen von einem bestimmten Aufenthaltsraum wegbewegen dürfen. Ähnlich wie Amnesty International es ihrer Stellungnahme zum neuen Polizeivollzugdienstgesetzes und des Polizeibehördengesetzes in Sachsen formuliert, ist kritisch zu betrachten, inwiefern hier die Voraussetzungen des Bundesverwaltungsgerichts beachtet werden. Diese besagen, dass nicht die Gefahr einer jeden Straftat eine Beschränkung der Freizügigkeit erlauben kann, sondern nur, wenn diese das Recht der Gemeinschaft auf Schutz ihrer lebenswichtigen Belange gefährdet sei (BVerwG v. 05.02.1958, 6 173, 176; Rachor in: Lisken/Denniger, Handbuch Polizeirecht, 5. Auflage, 2012, Rn. 459).
Gerade in diesem konkreten Fall von Maxi und Charlee wird das Mittel der Meldeauflage komplett zweckentfremdet. Meldeauflagen werden im Regelfall z.B. im Kontext von Hooligans für wenige Tage angewendet, damit Personen davon abgehalten werden, zu einem konkreten Zeitpunkt an einem bestimmten Veranstaltungsort zu sein. Hier möchte die Polizei über einen ganzen Monat hinweg zweimal am Tag wissen, dass die beiden sich in Leipzig aufhalten.
Gemeinsam mit ihrer Leipziger Anwältin prüfen Maxi und Charlee, koordiniert vom RAZ e.V. und finanziell unterstützt vom Umwelt-Treuhandfonds aktuell die Aussicht einer Beschwerde.
Update: Meldeauflage erfolgreich ausgesetzt!
Die Meldeauflagen von Maxi & Charlee wurden am 22. August durch das Verwaltungsgericht Leipzig ausgesetzt, bis die finale Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag gefallen ist. Seit Eingang des Eilantrages hatte das Verwaltungsgericht die Polizei dazu aufgefordert, die Vollstreckung der Auflage erst einmal auszusetzen – dies hatte die Polizei Leipzig in den ersten zwei Wochen jedoch nicht getan. Ansonsten würden die Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt werden – selbst wenn das Gericht im Zuge des Eilverfahrens entscheiden würde, dass die Meldeauflage nicht verhältnismäßig ist, hätten Maxi & Charlee sich dann bereits durchgängig zwei Mal am Tag gemeldet.
An den elf Tagen, die die beiden sich melden mussten, wurden sie an fast jedem Morgen von einer wachsenden Gruppe an solidarischen Menschen begleitet, die nahe der Polizeiwache nach dem Melden den Tag mit einer großen Thermoskanne Kaffee und mitgebrachtem Frühstück starteten.